Als Reiter hat man es nicht leicht, wenn man nur mal eben schnell ein Foto machen will. Guckt man nämlich genau drauf, sieht das gleiche Pferd auf dem einen aus, als wäre es ein Fall für den Tierschutz, auf dem anderen wie ein wohltrainiertes Sportpferd. Das ist kein Witz, es geht richtig schnell. Irgendetwas stellen sie an und plötzlich wird aus dem Vollblut eine schwangere Kugel (obwohl Zipfelchen unten dran hängt) und aus dem propperen Kaltblut ein Fall für den Abdecker.

Anhand eines Bildes beurteilen die Mitreiter dann natürlich auch immer das Pferd. „Viel zu dürr!“ – „Viel zu fett!“ – „Oh, Gott, reitest du das etwa?“
Wir Reiter sind also geimpft, mindestens 30 Fotos für einen Schnappschuss zu machen, damit wir wirklich alle Meckerfritzen aussperren, so von vornherein. Denn es hat ja immer jemand was zu meckern.
Ungemistete Box = Dreckloch voller Krankheiten. Schon mal direkt Tierquälerei.
Lange Mähne und dünner Hals? Untrainiertes Schlachtpferd. Es liegen zwei Eimer auf der Weide? Müllhalde.
Pferd stellt den Huf komisch hin: „Was war denn das für ein Schmied? Ist der blind?“

Wenn die Leute schon auf ungünstige Fotos anspringen, was machen dann die Leute, die echt Baustellen am Pferd haben? Die ein Pferd aus schlechter Haltung übernommen haben. Oder einfach ein altes Pferd haben, das nicht mehr top gepflegt ist, weil ihm die Zähne fehlen und man die Rippen schon sieht?
Na, sich beschimpfen lassen. Es ist nämlich völlig egal, was die Vorgeschichte zum Pferd ist, DU bist Schuld und du hast dieses arme Pferd verwahrlosen lassen. Hast wohl keine Lust zum Tierarzt zu gehen! Andere Pferde sehen schließlich mit 35 noch total super aus und werden jeden Tag geritten.
Ist ja schön … das hier nicht.

Ich hatte am Anfang auch ein Rippchen. Der stand halt ein Jahr auf der Weide, hatte ausschließlich trainierte Rennpferdemuskeln und keine Reitpferdemuskeln. Was bedeutet: Keinerlei Halsmuskulatur, die zum reiten verlangt wird, keinerlei Rückenmuskulatur, die aus ihm ein propperes Reitpferd macht. Und dann noch ein bisschen arg dürr. Stressige Weidegefährten und komplett ohne Training machen das aus einem Athleten. Das ist eben so. Die Galoppermuskulatur war halt auch schon ein Jahr nicht mehr im Training.

Ich hab also gearbeitet und gefüttert und ja … manchmal bin ich Schlingel sogar trockengeritten. Nichts, was er nicht kennt. Ich fand nur, dass er nicht noch länger ohne Reiter sein musste, nicht dass er es verlernt, das ist ja ein kleiner Goldfisch.
Hui! Da wurd ich aber angeschnauzt für meine zehn Minuten in der Woche. Das geht aber so nicht! „Gib dem armen Vieh endlich mal was zu fressen, statt zu reiten.“
Erklärungen fruchten niemals. Die Leute wollen das nicht hören.

Auch Rehapferde haben es schwer. Nach langer Pause wieder antrainieren: „Geht ja gar nicht, das arme Tier! Guck mal, wie steif der geht.“ Dass es vielleicht ein halbes Jahr Pause hatte, das ist egal. Dass es sich erst Mal sortieren muss … geht auch gar nicht.
Komischerweise ist das Thema so fast nur im Internet zu beobachten. Die Mitreiter im Stall … die sagen gar nichts. Es sei denn, man hat ein altes Pferd. Wie oft ich erklärt bekommen habe, dass ich mit der Omma doch nicht an der Springstunde teilnehmen kann. Bitte, was kann ich nicht? Die Omma hat mehr Hals als die halbe Stallgasse, einen Rücken wie ein junger Gott und absolut klare Beine. Auch mit 24 hatte sie die noch. Warum darf die jetzt nicht in die Springstunde?

Überhaupt … sobald das Pferd dann wirklich alt wird (es kommt eine Zeit, da merkt man das urplötzlich drastisch und sie bauen ab) … da erklären einem alle, dass man das Tier doch einschläfern soll. Weil es alt ist. Wieso? Es kann sich hinlegen, fressen, laufen. Mehr muss es doch gar nicht. Es soll nichts mehr leisten, es soll sich nur seines Lebens erfreuen. Dafür braucht man nicht mehr alle Zähne. Oder muss einen schönen Hals haben.

Foto: Juhu! Stangen!