Dann würden sie ganz sicher nicht so hochtrabende Gedankenblasen haben, wie die betont kitschigen Bilder mit Reitersprüchen über Flügel und Freiheit und bla, bla, bla. Pferde denken da schon ein wenig primitiver – und manchmal sicherlich auch nicht Jugendfrei. Beobachtet man mal so eine Gruppe Pferde in der Halle, kann man die Gedanken der Tiere eigentlich schon hören, auch wenn viel anhand des Gesichtsausdrucks fehlinterpretiert werden könnte.

Wir stellen uns also vor eine große Halle, in der sich ein paar Reiter-Pferd-Paare befinden und schauen uns mal an, was die Pferde zu sagen haben. Das geht ganz einfach, ich warte ein bisschen mit dem Pferd, bevor ich in die Halle gehe. Kann ich jedem empfehlen.

Da gibt es das Pferd der klischeehaften Dressurtussi, die in Polohemdchen und passender Schibbi-Schabbi reitet, dazu ein paar Perlenohrringe. Das trabt nett vor sich hin. Hört man ihm genau zu, sagt es allerdings:
„Ich hab schon einen Drehwurm. Wie sich wohl geradeausreiten anfühlt?“

Der Haflinger: „Geradeaus ist langweilig. Da gibt es nichts zu essen.“
Während er sich schon mal umsieht, was man sonst noch so anknuspern könnte.
Das Vollblut ist knapp hinter dem Dressurpferd. „Platz da, aus dem Weg! Du störst. Du bist ein Hindernis. Weg, weg, WEG, WEEEEEG!“ Als der Reiter es endlich schafft, an dem viel zu langsamen Dressurpferd (nennt sich ja Versammlung) vorbeizureiten, hört man das Vollblut natürlich wieder: „HUIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII!“

Das Pony kommt auf der anderen Hand entgegen. Die zurückgelegten Ohren signalisieren alles. „Ich weiche DIR doch nicht aus.“
Während das Vollblut immer noch dran ist: „Huiiiiiiiiiii!“
Als es fast zur Kollision kommt, kann man das Pony förmlich rufen hören: „Rowdie!“

Das Dressurpferd ist so versammelt, dass es den anderen Pferden ein Dorn im Auge ist. Das stampft auch so nervig. Was das nervöse Halbblut gar nicht witzig findet. „Lass das! Ich beiße dich, wenn du es nicht seinlässt.“ Während es trippelnd überholt.
„Ich kann das aber nur so“, wehrt das Dressurpferd ab.
„Dann mach halt nicht so!“
Drohend dreht das Halbblut die Hinterhand, aber die gemeine Reiterin funkt dazwischen.

Das Pony wuselt dazwischen herum, angenervt und in Buckellaune. Es lässt sich durchparieren und geht ein paar Schritte neben dem Dressurpferd. Dabei kann man folgenden Dialog belauschen.
„Deine Mutter war ein Kaltblut!“
„Nimm das zurück!“ Das Dressurpferd ist empört. Feinste Ahnentafeln und die schönsten Hengste. Was behauptet das Rotzpony da? Ohren zurück und Attacke.
Während die Reiterin sich festkrallen muss, weil das liebe Kringelpferd plötzlich auflebt, um das Pony zu verhauen. Merkt auch die Ponyreiterin, die verschwindet lieber schnell.
Nicht schnell genug, denn von hinten kommt ja schon wieder das Vollblut: „Huiiiiiiiiiii!“

Der Haflinger parkt vor der Tür. Ich seh nix mehr. Und mein Pferd möchte auch nicht warten. Ich könnte schwören, aus der Ferne irgendwo den Imperial March zu hören, als der Haflinger ehrfürchtig wegtritt und der Todesstern die Bühne betritt. Vor Schreck bleibt auch das Pony stehen und das Vollblut zieht ebenfalls die Bremse, als der Todesstern sagt: „Ruhe im Puff, jetzt komm ich.“
Und genau die herrscht jetzt auch.

Foto: Oh, look! A penny!