Reiter sind manchmal waschechte Dramaqueens, denn sie übertreiben maßlos. Ja, manchmal sogar Reiter, die ich wirklich wertschätze und sage: Die wissen normalerweise, was sie daherbrabbeln. Würde mich auch selbst nicht davon ausnehmen.
Zum Beispiel meine Reitlehrerin. Irgendwann, als ich schon lange im Rennstall untergekommen war, fuhr ich in meinen alten Stall um “Hallo” zu sagen. Wie passend, meine Reitlehrerin hat natürlich immer was für einen zu tun: “Kannst du mal die Moppeline satteln? Aber Achtung, das ist echt total gefährlich, du musst aufpassen, das ist Überlebenstraining. Die hat Sattelzwang.”
Entsprechend geimpft holte ich also Moppeline, dachte, die haut mir gleich die Hufe um die Ohren, schmeißt sich auf den Boden und kreischt und weint.

Moppeline war aber auch eine dicke Kaltistute, die ihre Beine nicht mal ansatzweise hochbekommen könnte, um irgendwem damit zu schaden. Entsprechend bestand ihr Theater aus: Mit den Hufen stampfen, mal drohend ein Bein heben und Ohren im Genick. Noch ein bisschen mit dem Kopf wackeln und gut.
Also zurück zu meiner Reitlehrerin, die mich beobachtet hat: “Hier. Kannste haben.”
“Furchtbar oder?”, sagt sie.
“Fand ich jetzt nicht schlimm.” Gehe in Gedanken zurück zu meinem netten täglichen Lot, die sich in den Kopf gesetzt hat, möglichst viele Arbeitsreiter mit Salto rückwärts beim Satteln zu beeindrucken.
Und die Frau hat keinen Hang zum Drama! Das Pferd hat bisschen rumgewackelt. Ja, muss man nicht unbedingt Kindern ohne Aufsicht geben. Aber sonst?

Das Erlebnis ist nur eines der vielen Beispiele, dass Reiter grundsätzlich sagen: Hilfe, Hilfe, bei mir ist es noch viel schlimmer. Zumindest in ihrer Vorstellung. Wenn jemand ein Video postet, wo ein buckelndes Pferd und eine fallende Reiterin zu sehen ist, kommen grundsätzlich zehn Leute daher und erklären, dass ihr Pferd oder ihre Reitbeteiligung das noch viel schlimmer können. Und sie das natürlich auch sitzen.
Vielleicht ist manchmal so eine gewisse Portion: Ich bin besser als du dabei. Manchmal glauben sie aber wirklich, der kleine Pupsbuckler wäre eine ausgemachte Rodeoeinlage gewesen, die drei Stunden angedauert hat.

Ich weiß nicht so genau, warum das so ist. Klar, eine gewisse Portion Angeberei ist natürlich da, wenn es darum geht zu sagen: Mein Pferd macht das viel schlimmer und ich komme super damit klar.
Aber manchmal posten sie ja auch Videos von “durchgehenden” Pferden, die niemand je angehalten hätte, außer meine Oma, ein Kleinkind, Frau Prüüüma und ein Rauhaardackel, sofern mal einer der genannten den Zügel berührt hätte. Und da kommen dann wirklich noch Leute, die sagen: “Oh, ja, du hast Recht, das war total schlimm und unhaltbar.”
Manchmal möchten sie vielleicht unbedingt Bestätigung dafür, dass ihr Fehlverhalten einfach keins war. Obwohl einfach stumpf sitzenbleiben und sich wundern, warum das Pferd sich davonmacht, sehr wohl Fehlverhalten ist.

Auch bei Bucklern immer ein Thema. Ein Pony buckelt seine Reiterin herunter. Die hat ganz eindeutig überhaupt nicht damit gerechnet, macht nen Abflug und knallt gegen die Bande. Das tut mal kurz weh, dann stehen alle wieder. Das wilde Rodeopferd hat plötzlich ja noch jeden runterbekommen, obwohl es weder den Kopf zwischen die Beine macht, noch den dicken Pöppes besonders hoch hebt. Klassischer Fall von: Surprise, Sand in der Fresse! Sonst gar nichts. Trotzdem wird das wilde Pony glorifiziert: “So was sitzt ja keiner einfach mal so aus”.

Die Mentalität versteh ich auch irgendwie nicht. Ist das ein Sport zu sagen: Mein Pferd macht das noch schlimmer? Ist es einfacher zu sagen: Das war unhaltbar? Wenn ich runterfalle, dann habe ich grundsätzlich was zu lachen. Aber nicht um es zu dramatisieren und zu sagen, dass da ja jeder runtergefallen wäre. Wäre bestimmt nicht jeder runtergefallen. Nur ich. Ich saß ja schließlich auch grad drauf. Von daher ist die Aussage eh mehr als müßig.
Wenigstens können die Dramaqueens bei manchen Stürzen kein Drama draus machen. Weil sie nicht nur jeder gesehen hat, sondern weil sie aus eigener Doofheit passiert sind. Auch bei der Dramaqueen am alten Stall. Die mit dem ultra wilden Schulpferd.

Der warf vor dem Sprung im Schulpferdezuckelgalopp (der hätte jede fußlahme Pleasure gewonnen) kurz den Anker. Ganz sanft. Seine Reiterin jedoch, die war mit diesem bösartigen Stopp so überfordert, dass sie, als er stand, einen Bügel verlor und seitlich in Zeitlupe runterfiel. Wollte uns dann auch eine Geschichte vom buckelnden Pferd erzählen. Hätte bestimmt noch den Hintern gehoben. Nein, Mylady, das wart ganz allein Ihr, mit Eurer Blödheit!

Foto: Buckelt wirklich Kinder runter. Auch wirklich fies.