Auf dem Turnier ist es manchmal spannend zu lauschen. Einfach nur ein bisschen rumstehen und schon weiß man ALLES, selbst wenn manche Dinge ungesagt bleiben. Man muss nur ein bisschen rumhorchen, wer was fragt. Incognito, ohne dass man gestört wird. Also Öhrchen auf und zum nächsten Turnier. Danach seid ihr garantiert … na, ja … nennen wir es informiert.

Wir beginnen unseren Rundgang am Abreiteplatz. Es ist eine E-Dressur, jemand aus unserem Stall hat genannt, na, da guckt man halt mal zu. Prompt hören wir folgenden Dialog auf dem Abreiteplatz: „Mamaaaa! Der ist so doof. Kannst du mal bitte abreiten? Ich muss auch Pipi!“
Die Urheberin des Schreis ist aber keine 7 Jahre alt, sondern mindestens 15 und so stark geschminkt, dass ich mich fragen muss, ob sie wirklich so aussieht, oder sich gleich ein komplett neues Gesicht gemalt hat.
Nebenan diskutieren Mütter: „Die Leonie-Chantal macht jetzt eine Klangschalentherapie. Das hilft gegen die Hyperaktivität. Deswegen darf sie jetzt auch das Turnier mitreiten.“
„Hm“, macht die andere Mutter. „Oh, da ist sie unten.“

Die tobende Leonie-Chantal macht das Pferd der Pipigängerin aber nervös, sodass deren Mutter herumschreit: „Das ist eine E-Dressur, kein Irrenhaus!“
Hat sie gut erkannt. Was macht sie eigentlich auf dem Pferd? Sie kreiselt und fuchtelt, aber warmreiten ist das nicht. Geht aber auch so schwer … mit Pumps.
Eine Erwachsene Reiterin gesellt sich zu den Bandenladys. „Kann das Shetty nicht mal raus? Das ist viel zu langsam und was will die überhaupt in einer E-Dressur.“
„Mitreiten?“ Kann es mir ja nicht verkneifen. Habe damit aber sämtlichen Dialog unterbrochen und muss zum Dressurviereck gehen.

Da läuft nämlich die Siegerehrung vom Reiterwettbewerb.
„Ich finde das voll asozial, dass die Steffi gewonnen hat. Das ist ja nur, weil die im Reitverein vom Holger ist und der ist Richter.“
Frage mich, seit wann Holger als Frauenname durchgeht, denn da sind nur Frauen. Vielleicht ist Holger aber auch ein Transvestit und es fällt mir nur nicht auf.
Neben mir gibt es auch Streit: „Gerhart, jetzt hast du Celeste-Ravens Schleifenübergabe gar nicht drauf. Alles nur wegen Fußball!“
Gerhart wird zum Kuchenholen verdonnert, sodass ich nun auch was sehe, weil ja gleich nahtlos die E-Dressur weitergeht. Und wie Mönchengladbach gespielt hat, weiß ich auch gleich mit, das schreit Gerhart nämlich dem Uwe zu.

Es dauert ein bisschen, und weil alle mit Biertrinken und Kuchen beschäftigt sind, passiert auch eine ganze Weile nichts, bis dann die erste Abteilung einreitet. Leonie-Chantal kenne ich schon. Deren Mutter auch. Die redet immer noch von der tollen Klangschalentherapie. Wäre die doch nur zum Reitunterricht gegangen, denn ihr Pferd weigert sich, ins Viereck zu gehen und sie schreit.
„LASS DAS GEBRÜLL!“, schreit Mutti zurück.
Shetty, Fremdabreiterin, zwei Lulatschpferde mit Ausbindern und ein undefinierbarer Dackel mit Reiter obendrauf umrunden das Pferd von Leonie-Chantal.
Hinter mir wird sich immer noch darüber aufgeregt, dass die Steffi gewonnen hat. „Ja, die hat dem Holger bestimmt einen geblasen! Sonst wäre die nie erste geworden.“ Ähm … Steffi sieht aus wie 11. Und who the fuck ist dieser Holger?

Die Abteilung wird gebildet, die Mutter von Leonie-Chantal ruft trotzdem rein: „Grade sitzen, hörst du?“
Leonie-Chantal kann aber gar nicht hören, weil in der Abteilung eine Diskussion stattfindet: „Ne, das Pony muss nach hinten! Ponys gehen immer hinten.“
Prompt findet sich das Pony natürlich am Ende der Abteilung. Wo es künftig Haxen beißt und von dem Dackel ständig bedrängt wird, weil der sehr schnell sehr gut rückwärts laufen kann.
Die Abteilung reitet weiter. Die Mutter vom Pipikind ist auch wieder da. „Nä, das kann sie vergessen. Die sitzt schon wieder so scheiße. Mehr als eine Trostschleife kriegt die nicht.“

Eins der Lulatschpferde stolpert. Ein „Ohhhh!“ geht durch die Menge. Aber es passiert gar nichts. Die Reiterin sitzt das einfach.
„Boah, was da hätte passieren können!“, jammert die Mutter von Celeste-Raven, die jetzt auch wieder da ist. „Mensch, Gerhart … das war ja haarscharf.“
Hat die dasselbe gesehen wie ich?
Die Mutter von Leonie-Chantal ist auch wieder dran: „Ja, gut so, du musst aber mehr galoppieren!“
Das Pferd von Leonie-Chantal galoppiert anschließend so gut, dass es über die Begrenzung vom Viereck hüpft und hui! Weg ist es. Mit der schreienden Leonie-Chantal.
Aufgabe gesprengt, würde ich das nennen.

Foto: Ich muss da noch mal was nachlesen.