Kleber ist etwas, das man eigentlich nicht mit lebenden Pferden assoziiert, aber Reiter kennen das Problem sehr wohl: Das Pferd klebt. Und ich glaube, es bringt einen kaum mehr an seine Grenzen, als wenn man einen Kleber hat. Es gibt nichts Vergleichbares, was einen so aufregt und nichts, wo man sich mehr wünscht, dass das Pferd einen versteht: „Herr im Himmel! Wir gehen nur verdammte FÜNF! Minuten weg! Du kommst auch wieder zurück!“

Kleber nerven, weil sie nicht mehr zugänglich für irgendetwas sind. Weder gute Zusprache, noch Ablenkung, noch Arbeit. Kleber kleben und wenn sie sich entfernen müssen, haben sie plötzlich einen ganzen Haufen Scheiße, den sie abziehen können:

-Steigen
Denn wer was auf sich hält, der steigt. So richtig schön hoch, mit Drehung!
-Stehenbleiben
Und NIE wieder weitergehen. Nur nach oben oder rückwärts.
-Spontane Spins
Besser als jedes Westernpferd das je lernen kann.
-Geschrei
So in etwa mit der Geräuschkulisse eines startenden Jets vergleichbar.
-und hirnloses Herumrennen
Vorwärts, rückwärts, inklusive auf dem Gebiss festbeißen und nicht mehr ansprechbar sein.

Und man kann alles tun, es nützt erst einmal gar nichts. Weil das Pferd sich in seinen Wahn hineinsteigert: „Hilfe, Hilfe, ich muss dieses EINE Pferd oder meine Herde verlassen, wahrscheinlich werde ich getötet.“

Mein Kleber hat sich zum Glück nach Stallwechsel plötzlich gewandelt und damit sofort aufgehört. Meine Prittstiftdame auf der Arbeit aber nicht, die klebte an ihrer Nachbarin. Oder auch sonst an Pferden. Gleichzeitig hatte sie dann aber Angst davor, anderen Pferden zu nahe zu kommen, die jetzt nicht ihre Busenfreunde waren (also alle, außer ihrer Freundin). Ihr könnt euch ausmalen, wie eine Runde auf der Bahn mit der war, oder?
„HILFEEE! Die anderen laufen vor mir weg“ – losrasen – „HILFEEEE! Der verletzt meine Intimsphäre!“ – Bremse reinhauen – „HILFEEEEE! Die anderen sind so weit weg!“ … und so weiter und so fort …

Ja, hab nie behauptet, dass die clever ist. Kleber lassen sich auch nicht so einfach austricksen. Nur, weil man die jetzt an einem weiter entfernten Ort füttert, heißt das nicht, dass sie nicht gleichzeitig mampfen, sich verschlucken und trotzdem noch schreien können. Futter nimmt man ja gern, aber oberste Priorität ist auf jeden Fall nach den anderen zu blöken. Mit Vorliebe in mein Ohr. Ganz schlimm ist das, wenn man den plärrenden Kerl dann führen muss. Alle zwei Minuten ein Ruck durchs Pferd, Nüstern in meine Richtung und dann ein Brüll.

Danach ist man taub. Und man wird so wütend! Ich kenne kaum eine Macke am Pferd, die mich wütender macht. Weil es ja eigentlich so einfach ist. Üben, üben, üben. Nur die Tage, wo man dann übt, die sind zermürbend. Eigentlich kann das Pferd ja auch nichts dafür, das fühlt sich halt jetzt nicht sicher und möchte wieder in den Schutz seiner Herde.
Entsprechend erkennt man Kleberreiter auch. An den zerrauften Haaren und daran, dass sie ständig: „Waaaaaas?“ fragen, weil sie nichts mehr hören. Und an dem latent aggressiven Unterton: „Wir gehen ja bald nach Hause, du Kackvieh!“

Wie sehr sich Reiter dann plötzlich über fünf Schritte weg vom Hof freuen können. Das wird gefeiert, mit knallenden Sektkorken, einem Partyhütchen und einer Tröte. Ins Pferdeohr: Auge um Auge oder so. Das geht dann so lange gut (und jeden Tag ein bisschen besser), bis das Pferd an spontanem Flashback erkrankt, weil man mal einen Tag unachtsam war und schon wieder schreiend und steigend ins Gelände geht. Ungefähr fünf Meter, danach versucht es zum Stall zurückzurennen.
Ist das nicht schön? An solchen Tagen haben wir unsere wandelnden Klettverschlüsse immer besonders lieb.

Foto: Zum Glück sofort damit aufgehört. Versteh eh nicht, warum der im alten Stall geklebt hat, alle auf der Weide haben ihn gehasst und weggeschlagen, der stand immer allein.