Schlaue Eltern und Nichtreiterfreunde sagen ja immer: Wieso brauchst du denn nach all den Jahren noch Reitunterricht, kannst du das nicht langsam?
Das sehen heutzutage wohl eine Menge Reiter ähnlich: Ich hatte genug Unterricht, ich kann das jetzt auch ganz allein, bin schon groß. Und stur halten sie daran fest, sie können alles, wissen alles und essen alles.

Mein Taschengeld, Weihnachtsgeld, Geburtstagsgeld ging als Kind in Reitstunden. Ich hatte mindestens einmal die Woche Reitunterricht und so hab ich ihn mir finanziert, inklusive Schülerjobs und Trödelmarkt. Zehnerkarte – alles Geld dazwischen für Einzelunterricht, Springunterricht und wenn ich keinen hatte, dann habe ich den anderen beim Reitunterricht zugeschaut. Immer und immer wieder. Jeden Tag.
Und ich war empört, wenn meine Reitlehrerin zu spät zum Unterricht kam: Nicht, weil das ja Geld kostet, sondern weil das von meiner Zeit abging und ich weniger Zeit zum Lernen hatte.
Reitkurse, Lehrgänge, ich habe alles mitgenommen was ging. Jeden Moment eingefordert. Selten Lob gehört. Am nächsten Tag wieder auf der Matte gestanden. Belohnt, indem man auch mal aus der Reihe ein Schulpferd reiten darf. Oder ein Privatpferd! Das allergrößte Lob.
Und dann wieder zugucken, kein Wort sprechen, alles inhalieren. Bestimmt 13 Jahre lang. Ich habe ein gutes Auge für das, was da vor mir passiert. Genau aus der Zeit. Dafür bin ich unendlich dankbar.

Heutzutage ist Reitunterricht für viele unter ihrer Würde. Auch in meinem alten Stall. Hausfrauenreiten nennen das manche. Finde ich gut, übernehme ich so. Sie reiten kreuz und quer durch die Halle, nehmen auf nichts und niemanden Rücksicht, was besonders spannend mit einem jungen Pferd ist und nutzen voll aus, dass die Reitlehrerin gerade in der anderen Halle ist, denn die faltet auch Deppenreiter ohne Reitunterricht zusammen. Bahnregeln, „Tür frei!“ und all solche Späßchen sind nicht interessant für die Unterrichtsverweigerer. Die haben nämlich vor 100 Jahren mal eine Schlöppe in der E-Dressur geholt, wie sie heute noch verträumt erzählen und dann ist das Qualifikation genug auf einem Pferd herumzudüsen.
Getrabt wird zum Aufwärmen, galoppiert, als wäre man auf einer Jagd und viel Schritt geritten, am langen Zügel. Zum Schnacken natürlich, denn so eine Reithalle ist ja auch Kaffeekränzchen.
Will man irgendwie dazwischen sinnvoll arbeiten, sollte man die Lektion „Steh!“ vertiefen. Was anderes bringt es nämlich nicht. Völlig ungeniert schwenken sie aus, Hufschläge … was ist das? Longieren in der Halle verboten? Wird als Herausforderung gesehen. Mal schauen, wer so blöd ist und sich beschwert …
Wagt man es, sie auf sinnvolle Dinge hinzuweisen („Du, deine Dreieckszügel hängen am Boden!“), wird man weggewedelt wie eine lästige Fliege. Tritt das Pferd rein, liegen sie da und man selbst muss einer schluchzenden Frau Händchen halten, die auf das böse Pferd schimpft. Klar …
Übrigens, das Mordorpferd hat sich nicht gemuckt bei diesem Vorfall (wild buckelndes Pferd quer durch die Halle mit Sturz vor ihre Füße) … wenn die es nicht mal tut, um wie viel mehr sollten manche mit ihrem Pferd mal in die Reitstunde?

Hatten sie dann einmal Reitunterricht, dann wird davon Monate gezehrt. Natürlich nur vom Lob, nie von der Kritik. Muss sich ja auch lohnen.

Foto: Der Schönling. Der wusste, dass er schön ist.