Gar nicht so selten traut sich mal jemand und sagt: „Momentan macht mir Reiten überhaupt keinen Spaß. Ich bin nur noch gefrustet.“ Das ist noch mehr Tabuthema als Angst zu haben, denn direkt kommen dreihundert Leute: „Also ich find‘ Reiten ja immer geil und dein Problem ist überhaupt keins.“ Ein bisschen, wie man zu Depressiven gerne sagt: „Ja, dann lach doch mal und mach was Positives. Du stellst dich aber auch total an.“
Reiter dürfen also keinen Frust verspüren. Sie müssen immer happy darüber sein, dass sie reiten können, andere haben es ja viel schlechter und können ihr Pferd gar nicht reiten – bla, bla, bla.

Nützt dem gefrusteten Reiter aber überhaupt nichts, den er selber fühlt sich doch schlecht. Was hilft es ihm da, wenn man ihm sagt, dass es anderen Leuten noch viel schlechter geht? Das hat nichts mit First World Problems zu tun, sondern ist ein persönliches Empfinden, das einen unglücklich macht.
Da sitzt der Reiter nun, ist eh schon gefrustet und dann hat noch nicht mal jemand Verständnis für ihn, weil die Leute mal wieder meinen, dass Spaß zum Knigge des Reiters gehört und wer keinen hat, der ist halt eine Heulsuse, sollte sich ein Fahrrad kaufen und ist sowieso überehrgeizig. Bestimmt hat der keine Schlöppe beim Pimmelberger Turnier gewonnen und ist deswegen so jammernasig.

Dabei kann selbst den gemeinsten Freizeitreiter die Gesamtsituation frustrieren. Gestern konnte man noch nett ausreiten, die nächsten drei Wochen hat das Pferd einen Haschmisch und geht keine zehn Meter vom Hof weg. Inklusive wirklich gefährlicher Aktionen, wie rückwärts auf Straßen rennen, unkontrollierbarem losrennen, etc.
Aber auch der ambitioniertere Reiter kann den Frust empfinden. Jeder kann das. Da klappt plötzlich keine Lektion mehr, das Pferd wird mäkelig, guckig, oder sonst etwas.

Und dann immer die Tipps: „Dann ist dein Reitlehrer schlecht.“
Ich glaube, 90% aller Leute wissen, dass Frust etwas ist, das von innen kommt und auch mit dem tollsten Trainer sich trotzdem einstellen kann. Denn manchmal ist man gestresst, bekommt den Kopf nicht frei und dann kann man auch bei den Klimkes reiten – nützt nichts. Es wird trotzdem scheiße. Das wird jeder irgendwann einmal durchmachen. Vielleicht nicht die Selbstläuferreiter, aber selbst da wird sich Frust einstellen, wenn man weniger kann als das Pferd und das einfach nicht auf Anhieb umsetzen kann, was das Pferd verlangt.

Auch oft gehört: „Wie und willst du jetzt dein Pferd verkaufen?“
Ich kann behaupten: Ich kann mein Pferd auch mal eine ganze Woche lang scheiße finden, ohne gleich eine Anzeige zu schreiben. Passiert. Ich versuche dann auch erst mal gar nichts mehr. Und gucke mir bloß keine Schmuseseiten an, wo ja immer alles klappt. Überhaupt meide ich dann Mitreiter. Mein Frust ist etwas, mit dem ich selber klarkommen möchte. Und wenn nicht, tausche ich mich mit Leuten aus, bei denen ich weiß, dass sie nicht diese dämlichen Plattitüden raushauen.
Ja, manchmal muss man einfach über sein Pferd lästern. Nix will der verstehen. Und die letzten Tage hatte er nur Blödsinn im Kopf! Es befreit, es tut niemandem weh und wenn man erstmal hört, dass andere auch Probleme haben, ist das Balsam für die Reiterseele.

Wir wissen, dass wir an unserem Frust selber Schuld sind. Denn es ist unser Empfinden, unser Gefühl, das uns gerade im Weg steht. Was man dann aber am wenigsten gebrauchen kann, sind Leute, die einem erzählen, wie geil reiten ist und wer das nicht permanent so empfindet, der ist ein Dummbatz und zu blöd anständig zu reiten.
Lasst uns doch einfach mal gefrustet sein und uns den Frust von der Seele reden. Manchmal brauchen wir das. Wir alle. Wir wollen keine Lösung, oder Geschichten, bei denen es für euch voll toll gelaufen ist. Oder dass ihr nie so empfindet. Lasst gefrustete Reiter einfach mal jammern. Das ist völlig okay. Echt jetzt.

Foto: Die Begeisterung ist davongelaufen.