Generell finde ich Reitabzeichen echt sinnvoll, schon allein, weil die einen Theorieteil haben und Allroundkönnen abfragen. Dinge, die ein Reiter einfach können sollte, wenn er mit Pferden hantieren möchte. Wenn jemand das Reitabzeichen besteht, dann ist das ein gutes Indiz dafür, dass derjenige auch ein bisschen mit Pferden klarkommt. Natürlich, es ist ein kleiner Parcours und nur eine E-Dressur am Anfang, aber sonst ist das schon was Nettes. Macht auch irgendwo Spaß.

Heutzutage ist das ja anders. Da machen die das plötzlich reitweisenspezifisch und umbenannt haben sie den Krempel auch. Jetzt weiß ich nicht mal mehr, was ich demnach bin. Wer also früher mit Heulkrampf an der Halle stand, weil er doch so Angst vor dem Springen hat – und wo garantiert nie etwas passiert ist, der hat es jetzt einfacher. Macht man das halt in der Dressur, ist ja toll. Bin ein bisschen neidisch auf die, ich hätte mir nämlich gerne jedes Mal die Dressur geklemmt, und wäre dafür Hochhäuser gesprungen. Bin ich wohl zu spät dran.

Ich bin halt einfach keine Disney Prinzessin, die ihr Pferd zum Tanzen animieren kann und noch ein bisschen mit denen singt, damit die manierlich in der Dressur rumkaspern – nein, ich bin die, die hübsch sitzt, bei zünftigem Tempo und sämtliche Punkte ultragenau anpeilt, damit kein Richter der Welt etwas zu meckern hat. Im Springen zumindest.

So war natürlich auch mein folgendes Reitabzeichen springtechnisch schon vor dem Start der Prüfung eigentlich in trockenen Tüchern. Nach dem letzte Mal musste ich mir da gar keine Sorgen machen, das krieg ich hin. Auch ohne Todesstern. Dafür hatte ich den Laufburschen. Der Laufbursche läuft und fragt erst hinterher: War da ein Hindernis? Hab ich nicht mitbekommen. Mit seinen Riesenbeinen überstolpert der eh jedes Hindernis, ohne auch nur eine Stange zu berühren. Wenn auch mehr unfreiwillig. Aber man sieht auch so gut mit dem aus. Springt hübsch um, kurzum ein Gummipferd mit Siegerambitionen.

Mein Springen klappt gut, ich wechsle das Pferd und überlege mir schon mal, was noch so alles schiefgehen kann, denn jetzt sitze ich plötzlich auf einem Dressurelefanten, den ich aus Anonymitätsgründen Franz-Peter nennen muss, denn er war ein Leihprivatpferd. Und Franz-Peter rüsselt halt gerne vor sich hin, lieb, nett, aber immer viel zu langsam. Und für Galopp ist der auch zu faul. Immerhin – der Todesstern hat sich ja geweigert im richtigen Galopp anzuspringen – da ist Franz-Peter schon mal eine Steigerung, denn wenn dem nicht danach ist, galoppiert der gar nicht.

Ich habe mich darauf eingestellt ihn ein bisschen wuschig und wach zu machen, mir wird aber verweigert ihm Kaffee zu geben, Koks aufs Gebiss zu schmieren, oder sonst etwas zu tun, das ihn wach macht. Also fordere ich beim Abreiten schon immer ultra schnelle Reaktionen und überfalle ihn mit neuen Ideen, damit er aufpasst. Franz-Peter passt übrigens so gut auf, dass er die Abreitdecke, die von der Bande spontan runterfällt erst dreimal überläuft um dann zu bremsen und zu gucken, was da eigentlich auf dem Boden liegt.

Wir reiten ein und Franz-Peter pennt schon wieder. Ich lächle krampfartig und tippe ihn mal so allumfassend überall an, immer mit Blick auf die Richter. Würde Franz-Peter auch schütteln oder anschreien, aber bei beiden Varianten sieht das doch irgendwie nicht so reitabzeichenmäßig aus. Lassen wir das lieber.

Ich trabe an. Wie ein angeschossenes Schulpferd, das nicht gemerkt hat, dass ihm ein Bein abgefallen ist. Boah, Franz-Peter, mach was! Wenn du mit deinem Leben abschließen willst, mach das bitte erst NACH dem Abzeichen. Aber Franz-Peter hat halt die Ruhe weg. Erst recht beim Tritte verlängern. Macht der irgendwas? Na, immerhin sitze ich hübsch. Glaube ich. Außer dass mir vom Anschieben schon alles wehtut.

Hinter uns raschelt etwas. Keine Ahnung was. Franz-Peter auch nicht, der ist eh taubstumm. Als ich angaloppiere (immerhin, es könnte Galopp sein), kracht es hinter uns laut, aber Franz-Peter weiß das noch nicht. Das kommt alles so verzögert bei ihm an, der erschreckt sich gleich in drei Stunden, wenn der wieder in der Box steht. Sehe eine weiße Plane auf dem Boden liegen, kann das aber nicht näher deuten, denn ich muss auch schon aufreiten. Anhalten kann Franz-Peter ganz toll. Macht er super. Danach will er aber nicht weg, er steht doch hier so gut. Als ich ihn endlich zum Gehen überreden kann, sehe ich auch, was da hinter mir auf dem Zirkel passiert ist – eine riesige Bandenwerbung mit Metallverstärkung am unteren Ende ist runtergescheppert, mitten in meiner Prüfung.
Da bin ich plötzlich sehr froh, ausgerechnet auf Franz-Peter zu sitzen. Der hat die Bandenwerbung wahrscheinlich bis heute nicht gemerkt.

Foto: Eins ist klar, die Bandenwerbung wäre mit ihm auf jeden Fall die schnellste Reitabzeichendressur der Welt gewesen …