Ach, die Akademiker der Reitkunst. Die sind was ganz Besonderes. Manchmal sind die auch nur das Kind, das den Prittstift isst. In meinem Fall sind sie das Kind. Jedenfalls in meinem direkten Konfrontationsumfeld. Barock nennt sich das dann. Nach namhaften Leuten. Hier, der mit dem Punktepferd zum Beispiel. Fällt mir grad nicht ein wie der heißt.

Heute habe ich also Vietnamflashback. Zurück auf einen Hof, wo ich mal war. Als Arbeitssklave. Da wurde auch total barock geritten. Und wenn die Pferde nicht völlig verwahrlost aussahen, waren da auch ein paar barock. Oder fett. Leider hab ich so gar keine Ahnung von dieser Art der Reiterei. Kann man aber lernen – dachte ich. Was ich nicht bedacht habe: Ich bin ja offensichtlich nicht erleuchtet. Das erklärt mir die Hofcheffin. „Du bist ja Englisch Reiter. Ja, dann kannst du ja gar nicht mit so feinen Pferden umgehen.“
Frage mich, was an ihren Pferden jetzt feiner ist, als an anderen. Aber ich bin gerade dabei erleuchtet zu werden, also Mund halten.

Die können ja auch Sachen von der hohen Schule. Die ist so hoch wie der Reitplatz, der auf einem Berg liegt und den ich ungefähr dreimal am Tag harken muss, obwohl kein Mensch darauf reitet. Barocke Reiterei steht scheinbar auch völig über so profanen Dingen wie Kreuzverschlag, denn in der Zeit wo ich da bin, holt sie niemals dasselbe Pferd raus, powert die aber alle durch, wenn sie mal im Sattel sitzt.

Ich bekomme also ein Pferd. Ich soll ja jetzt lernen. „Der müsste dir ja als Englischreiter zusagen.“
Moment, ich dachte, ich lerne jetzt was, das über mein Wissen hinausgeht? Wenn das alles gleich ist und dieses Pferd mir ja zusagt, dann ist das irgendwie nicht hilfreich. Aber zu spät, ich sitze auf einem Fuchs, der tatsächlich zu den seltenen Pferden gehört, deren Namen ich vergessen habe, weil das Tier so belanglos war. Oder seine Besitzerin, weiß man nicht.

Pferd ist ja schon warm, nachdem wir den Berg raufgekraxelt sind, da kann ich ja antraben. Kann das Pferd aber nicht. Das macht eigentlich gar nix. Hallo? Bein? Hallo? Mehr Bein? Da kommt dann schon mit dummem Grinsen die sogenannte Reitlehrerin: „Ja, ihr Englischreiter wieder mit eurem Scheiß Bein! Immer nur am Klopfen.“ Warum ich klopfe (denn Pferd ist offenbar komplett aus Beton), ist ihr egal, sie ist vollauf damit beschäftigt sich über Englischreiter auszulassen. Mir ist das zu doof, ich nehme mir dann eine Gerte von der Bande und siehe da – das super top gerittene Barockpferd das in klassischer Reitkunst angeblich so super geschult wurde, hat dann doch vor dem Folterinstrument Angst und trabt mal an. Allerdings muss man jeden Trabtritt sowas von herausreiten, dass ich lahme Beine bekomme. Und das, obwohl ich den Todesstern gewöhnt bin, die auch schon nicht gut aus dem Quark kommt.

Ich frage, ob das jetzt klassische Reitkunst ist. Und wie der ausgebildet wurde. „Da muss man alles ganz fein machen. Leicht dosiert. Das ist ja Lätschärätä!“ Wenn ich irgendwas auf diesem Büffel auch nur ansatzweise fein mache, dann parkt der und guckt sich die Blumen auf der Wiese an. Wo gerade ein paar Barockpferde den Berg runterrollen.

Madame reitet nun selber und macht tolle Dinge wie: Steigen. Oder Schenkelweichen. Kann ich auch. Aber nicht mit dem Ochsen, der sich einen Pferdekopf angezogen hat. Ach, was sag ich, der Ochse wäre mir lieber. Ich verstehe das Pferd nicht und das spricht offenbar Fremdsprachen. Hindustanisch. Oder Takka-Tukka.
„Ja, dann mach auch mal was mit dem.“
Ich dachte, das soll hier eine Reitstunde in klassischer Reitkunst werden? „Mach mal“ ist jetzt nicht sehr lehrreich.

Kopfschüttelnd ist sie dann auch schon fertig. „Kannst ja noch was reiten.“
Ach, toll. Danke. Macht ja auch so Spaß. Mit deinem Super-Hyper-Feinen-Ultra-Gaul.
Ich warte bis sie weg ist und verlange von dem fuchsigen Stein, dass der mal eine Runde trabt. Das ist dem schon zu viel. Und weil niemand da ist, erkläre ich ihm jetzt mal in meiner Sprache, was ich davon halte, wenn er sämtliche Hilfen ignoriert. Siehe da, der Schluff läuft dann auch. Als wäre er 1002 Jahre alt. Aber er läuft.

Am Abend frage ich mal die Tochter der Hofbetreiberin, was der für eine Ausbildung genossen hat und wie ich auf einem solchen Pferd denn die klassische Reitkunst erlernen soll.
„Hä? Der ist überhaupt nicht klassisch ausgebildet.“
Ach. „Und warum soll ich den dann reiten?“
„Ja, der ist halt ein Englischpferd.“
„Und du glaubst, englisch gerittene Pferde sind scheintot und auch noch doof?“
Sie ist sich nicht sicher, ob sie nicken soll. Bin mir aber sicher, dass sie es tut. Kann sie leider nicht sehen, bin schon auf dem Weg nach Hause. Schnauze voll von Lätschärätä.

Foto: Ringgeist mit Sitzstörung.