Ich liebe es ja, wenn Leute weder von der Skala der Ausbildung noch von sinnenhaftem Reiten gehört haben. Vor allem dann, wenn sie Tipps geben, oder Tipps wollen. Da wird dann vom Englischreitpferd der Seitengang von den Westernleuten verlangt, weil: Wieso kann der das noch nicht? Obwohl das Pferd nicht mal sauber und taktrein geradeausgehen kann – noch nicht einmal gerade ist. Ach, ich liebe das einfach! Da könnte ich jedes Mal vor Freude Schellen verteilen. Freudenschellen natürlich. Solche Situation lassen mich immer besonders aufjubilieren:

„Mein Pferd schwankt im Schritt, wenn man ihn vom Hufschlag abwendet!“
„Dann galoppier mal ganz doll, das macht ihn aufmerksam.“

What? Ich habe mal gelernt: Wenns in der niedrigen Gangart schon nicht klappt – dann braucht man nicht zwingend die höhere versuchen. Es ist nämlich Bullshit. Wenn dem Pferd offenbar immer noch Balance fehlt – sogar im Schritt, dann heißt das wohl: Erst da Balance reinbringen, dann in den Trab, dann in den Galopp. Jaja, manche Sachen macht man dann auch gerne noch im Gelände, gerade balancetechnisch, damit man viel geradeaus gehen kann – aber diese geilen Leute, die einem was von Übergängen erzählen, obwohl das Pferd noch nicht mal anständig durchpariert werden kann …

Auch beliebt: Da musst du Schritt/Galoppwechsel machen. Klaro, wenn das Pferd noch nicht mal auf der richtigen Hand anspringt, dann sind die sicher sehr hilfreich. Ganz viele Leute haben ganz viele Tipps und keinerlei Ahnung, warum da jetzt nicht jeder Juchhe, das mach ich, schreit. Reitlehre baut aufeinander auf. YouTube Videos nicht … gut, wir hatten es ja letztens schon, dass manche meinen, nur weil sie drei Leuten auf YouTube folgen, könnten sie jetzt auch reiten. Ganz häufig zu beobachten ist das vor allem bei der Bodenarbeit, bzw. der Zirzensik. Mit welcher Lektion fängt man da an? Ich weiß es gerade aus dem Kopf nicht einmal, aber ich kann euch sagen, mit welcher es nicht anfängt: Mit dem Steigen! Ich piesacke gerne solche Leute ja manchmal gerne: „Hey, kann dein Pferd denn die Bergziege?“ „Ne, wieso?“ „Kann es irgendwas außer steigen?“ „Nein.“ „Gratulation!“

Hauptsache es „steigt“. Eigentlich sollte das auch meist ganz anders aussehen (na, wie sieht zum Beispiel eine Levade aus? – garantiert anders als unkontrolliertes und freches in die Luft gehen). Aber für eine korrekt ausgeführte Lektion braucht es theoretisch vorangegangene Übungen und für die Levade eine verdammt starke Hinterhand. Aber hey, das sieht natürlich nicht so ostwindfrei sondern total kontrolliert aus … das ist langweilig – weg damit. Braucht doch keiner. Machen wir weiter nur eine Übung, die dann gar nichts bringt.

Aufbau? Was ist das? Das Wort Bau steckt drin … muss also für Bauarbeiter, oder unbelehrbare Idioten sein, die immer noch der FN hinterherhecheln. Es hat aber einfach seinen Grund, warum man Dinge Step by Step macht. Trotzdem sehe ich Leute, die fliegende Wechsel von ihrem Wald und Wiesenpony fordern, obwohl das noch nicht mal versammelt werden kann (meiner springt die auch, aber es ist sinnlos … kennt er halt von der Rennbahn und es ist ein Umspringen, kein klassischer fliegender Wechsel). Oder Leute, die meinen – wenn es schneller trabt, ist es Mitteltrab. Dabei kann das Pferd noch nicht mal geradeaus laufen. Oder auch beliebt – Traversalen, wenn noch nicht mal Schulterherein überhaupt geht. Klar geht ein Pferd seitlich, wenn man nur doll genug an einer Seite zieht und es so aus dem Gleichgewicht bringt. Aber das heißt dann sicher nicht, dass es Schritt, Trab, Galopp und Traversalen kann ….

Alles hat seine Ordnung. Manchmal kann man die sicher aufweichen. Oder mal in einer anderen Reitweise schauen, ob die das nicht anders aufbauen. Aber in der Regel ist es ja so: Wenn ich ein Haus baue, dann fange ich nicht mit dem Dach an und wundere mich dann, warum ich gar nicht mehr in den Keller komme. Und wundere mich erst recht nicht, warum in meinem Garten dann nix wächst, den ich nach dem Dach direkt gemacht habe. Denn: Das Dach ist ja schon lange runtergefallen … auf den Boden. Und auf Ziegeln wächst nix.

Foto: Lang ist’s her. Die ersten Galopparbeiten.