Wir hören oft von Gurumenschen, Gurureitern und total fairer Pferdeerziehung die Worte: Das Pferd hat seinen eigenen Willen.
Dem stimme ich zu. Und folgenden Satz sagen sie auch immer: Der Reiter ist an allem Schuld. Dem stimme ich nicht zu.

Für mich ist das ein großer Widerspruch. Einen eigenen und sehr individuellen Charakter tolerieren sie – dass das Pferd einfach mal so, ohne dass der Reiter einen gravierenden Fehler im Umgang gemacht hat, keine Lust hat, das ist nicht wahr.

Differenzieren wir das: Ich bin Schuld, wenn ich z.B. nicht den nötigen Abstand wahre und das Pferd mich, statt der Fliege erwischt.
Ich bin aber definitiv nicht schuld, wenn das Pferd beim Longieren spontan mal versucht die Richtung zu wechseln. Das ist schließlich seinem Hirn entsprungen und die Handwechselhilfe hab ich auch nicht gegeben. Kann mir auch keiner erzählen, dass das ausschließlich der Reiter Schuld ist.

Aber bei so ultra fairen Megareitern, da ist man automatisch immer Schuld. Das sind die Leute, die mir auf die Seite posten und sagen, ich böser Asi soll abhauen. Das Pferd muss krank sein, wenn es sich widersetzt. Oder schwer seelisch misshandelt.
Obwohl vorher noch getobt wird, dass das Pferd seinen freien Willen hat, wird ihm aber die Option: Keine Lust haben, oder – schlechter Tag, völlig abgesprochen.
Dass Pferd und Reiter nicht einer Meinung sind kommt aber vor. Ein netteres Pferd wird vielleicht schneller nachgeben, eine Megazicke nicht. So wie ein sehr auf Harmonie bedachter Reiter ebenfalls schneller nachgibt, als einer, der die Lektion durchziehen möchte.

Und dann kommt ja immer: Frag dich warum es das macht. Da ja jeder (ja, absolut jeder!) sein Pferd von Fohlenbeinchen an kennt, kann das natürlich auch JEDER beantworten. Der aktuelle Besitzer muss alles ausbaden. Fehler in der Erziehung, Fehler beim Anreiten usw. Und manche Pferde sind charakterlich auch einfach nicht mehr sehr nett oder kooperativ. So wie es manche Menschen nicht sind. Weshalb, ist dabei manchmal völlig nebensächlich, denn würde der Reiter das durch mysteriöse Umstände herausfinden können, würde er auch regelmäßig im Lotto abräumen.

Ein Pferd kann testen, für sich bessere Optionen auswählen und lernen. Warum darf es dann nicht auch mal verärgert sein, ohne dass irgendwelche psychischen Defizite übers Internet diagnostiziert werden?
Nein, das geht nicht. Alle Reiter doof, nur die, die alles verstehen und mit dem Pferd einen Beruhigungstee trinken sind toll.

Manche von euch kennen den „King“. Ein Rennpferd. Ein bisschen eine Legende. Denn der King lief nur dann, wenn er das für richtig hielt. Der verbaselte sich an der Startstelle, wenn ihm danach war, der schmiss Jockeys in den Dreck, wenn ihm danach war und wenn er Lust hatte, gewann er mal eben ganz beeindruckend von ganz hinten mit verpenntem Start.
Bisschen arschig. Aber charmant. So what? Muss man nehmen, wie es ist. Kluge Pferde lassen sich nämlich zu gar nichts zwingen.

Und wenn das Monster in der Ecke erst nach dem 20. Zirkel interessant wird, dann muss ich nicht 200 Jahre Bodenarbeit machen, den Namen des Pferdes tanzen, und einen schriftlichen Aufsatz darüber schreiben, warum das so ist – sondern weitermachen. Die Ecke war immerhin in den letzten acht Jahren auch da.

Natürlich gibt es auch das andere Extrem: Immer ist das doofe Pferd schuld, da kauft man sich das dreizehnte Pferd und immer noch ist der Gaul nur blöd und genügt keinerlei Ansprüchen. Da wird alles beim Pferd gesucht. Genauso Bullshit. Reiten ist eine Partnerschaft. Funktioniert nur, wenn beide Partner arbeiten. Und da der Reiter der Klügere von beiden ist, ist es auch sein Job, dem Pferd genau das schmackhaft zu machen. Von nichts kommt auch nichts.

Aber wenn Pferde komplexe Aufgaben lösen können, wie Türen öffnen, Zäune abgehen, um zu sehen, wo der Strom schwächer wird, Springen lernen können, obwohl es wider ihrer Natur ist und auf abstrakte Kommandos reagieren, dann werden sie genauso gezielt sagen können, dass sie keine Lust haben, testen, ob der Reiter aufpasst, oder aber ein paar Freudenbuckler vom Stapel lassen, ohne, dass jemand dem Reiter sagt, was er doch für eine miese Existenz ist.

Und manche sind dann ja auch einfach so:
Fohlen, eine Woche alt – wird vom Zaun aus bewundert. Hat noch keinen Kontakt zu Menschen. Einer der Menschen wagt sich auf die Weide. Und wird mit angelegten Ohren und einem eher hündischen Drohgebaren angefallen. Während Mama friedlich die Leute begrüßt.
Die lernen wir dann morgen kennen.

Foto: Holt den Voodoopriester, das Pferd ist umgefallen!