Interviewer: Guten Tag Herr Wurstohr. Schön, dass Sie heute für uns Zeit haben. Hatten Sie eine gute Reise?

Wurstohr: “Weiß ich nicht.”

Interviewer: “Aber Sie müssen doch wissen, ob Sie eine gute Reise hatten. War es anstrengend? Oder spannend? Ereignisreich?”

Wurstohr: “Soll ich Ihnen ein Geheimnis verraten? Ich ignoriere Dinge, die mich nicht interessieren. Ich blende das einfach aus. Wie diese Reise. Das ist doch nichts Spannendes. Hänger auf, Rein, Hänger zu, irgendwo ankommen. Wen interessiert das?”

Interviewer: “Sie interessieren sich also nicht so für neue Orte, neue Bekannte und eine Luftveränderung?”

Wurstohr: “Nein. Im Endeffekt sind es Orte, Menschen und Luft. Die gibt es woanders auch.”

Interviewer: “Ist es nicht im Rennstall schwer mit dieser Einstellung?”

Wurstohr: “Für die anderen vielleicht. Aber doch nicht für mich.”

Interviewer: “Ooookay … Frau Arschlochpferd hat mir gesagt, Sie hätten nicht sonderlich viel Interesse am Rennen gezeigt. Dass Sie unkonzentriert waren und nie hinten gehen wollten. Aber auch nicht aus der Startmaschine raus, oder mit den anderen Arbeit.”

Wurstohr: “Ist ja auch so. Wenn ich hinten gehen soll, brauche ich mich doch nicht anstrengen. Das Wort “Hinten” sagt doch auch schon alles. Hinten geht man, wenn man nur so mitgeht. Wenn der Jockey so blöd ist, mich hinten zu reiten, dann muss er damit leben, dass ich auch nicht schneller werde. Sonst wäre er doch vorne geritten, wenn er das gewollt hätte. Und in die Startmaschine gehe ich problemlos. Nur nicht wieder raus. Ist doch nett da drin. Warum soll ich wo reingehen und dann wieder raus? Das macht keinen Sinn. Ich gehe ja auch nicht nur ganz kurz in die Box und dann schnell wieder raus. Verstehe nicht, was es da zu meckern gibt.”

Interviewer: “Ähm … ja. Und wie hat das ihre Karriere beeinflusst?”

Wurstohr: “Haben Sie diesen Schmetterling gerade gesehen? Diesen wunderschönen Blauen? Da, jetzt ist er hinter Ihnen!”

Interviewer: “Ich hab nichts gesehen. Ist das wieder eine Ihrer Marotten?”

Wurstohr: “Vielleicht. Wo waren wir?”

Interviewer: “Frau Arschlochpferd hat mir gesagt, dass Sie aber nicht immer so gelassen und entspannt sind. Ich hörte, Sie mögen keine Schatten auf der Bahn?”

Wurstohr: “Nein, die sind die Hölle. Noch schlimmer sind Schatten oder Sonnenstrahlen in der Halle. Ich sage es Ihnen, wie es ist. Da tut sich die Hölle auf und man wird verschluckt. Oder man verbrennt, wenn diese Sonnenstrahlen die Hufe berühren. Da gibt es eine Dunkelziffer, wie viele Pferde jährlich in die Hölle herab gezerrt werden. Das ist ganz fruchtbar.”

Interviewer: “Ahja …”

Wurstohr: “Und damit ist auch nicht zu scherzen. Ich gehe jedenfalls nicht über Sand auf dem es Schatten gibt. Ich gehe drumherum, oder ich springe. Aber lebensmüde bin ich noch nicht.”

Interviewer: “Aber andere Pferde gehen da ja schon drüber …”

Wurstohr: “Das ist ja deren Problem, nicht meins. Wenn die so bekloppt sind, sollen die das gerne machen, aber ich bin nicht mal mit schieben, zerren, brüllen oder der Peitsche über irgendeinen Schatten zu bewegen.”

Interviewer: “Ich bin mir aber sehr sicher, dass ich Sie schon einmal habe ganz normal laufen sehen.”

Wurstohr: “Vielleicht liegt das an Frau Arschlochpferd, die hat mich einfach so lange unterhalten, bis ich das mal vergessen habe. Aber jetzt vergesse ich das nicht mehr. Ich bin auch viel aufmerksamer geworden!”

Interviewer: “Sie sind aber doch auch mal über Ihre Beine gefallen.”

Wurstohr: “Ja, und? Sie noch nie, oder was?”

Interviewer: “Ich bin immerhin wieder aufgestanden.”

Wurstohr: “Wenn Sie das so machen wollen: Bittesehr. Aber wenn man halt schon mal liegt, kann man da dann auch was liegenbleiben. Zum Ausruhen. Ist doch nichts verkehrt dabei.”

Interviewer: “Die Leute machen sich dann aber sorgen.”

Wurstohr: “Wieso? Seh ich aus, wie jemand, um den man sich Sorgen machen müsste?”

Interviewer: “Ja, schon, manchmal. Die Frau Arschlochpferd musste sich ja schon öfter Sorgen um Sie machen. Soll ich die Geschichte erzählen? Sie involviert eine offene Boxentür, eine Straßenbahn und einen Telefonanruf.”

Wurstohr: “Ach, ne … lassen Sie mal. So spannend war das sicher auch gar nicht.”

Interviewer: “Ein Springbrunnen kam auch drin vor.”

Wurstohr: “Ich habe jetzt leider auch überhaupt keine Zeit mehr. Mein Transporter geht in einer Stunde und ich habe noch wichtige Proben für meinen aktuellen Job. Ich spiele den Esel in der Weihnachtsgeschichte, beim Schaubild des hiesigen Weihnachtsmarkts. Wenn Sie mich also entschuldigen würden …”

Foto: Kein Wurstohr … obwohl …