Ich habe in den letzten Tagen mit Schrecken festgestellt, wie viele Reiter Pauschalisten sind. Pauschalisten nerven mich. Das ist für mich eine Spezies, mit der ich gar nichts anfangen kann, schon gar nicht in der Reiterei. ALLE Pferde darf man erst mit 6 anreiten, ALLE Hufeisen sind schlecht und stören die Durchblutung, ALLE Sportreiter sind nur geldgeil, ALLE Pferde müssen in den Offenstall, ALLE Pferde brauchen nur Heu, Luft und Liebe … ach, die Beispiele sind endlos.
Und dann immer: “Ja, das musst du so und so machen. Dann geht das auch.”

Ich kann gar nicht sagen, wie sehr mich das nervt. Sobald ich merke, dass Leute ausschließlich pauschalisieren, gebe ich die Diskussion auch auf. Dafür ist mir mein Atem zu Schade und ich habe Angst, dass sich meine Fingerabdrücke beim Tippen zu sehr abnutzen, wenn ich mit uneinsichtigen Leuten spreche. Großes Beispiel ja: Der letzte NDR Bericht. Da habe ich mit sehr vielen uneinsichtigen Leuten gesprochen. Alles an Sport ist automatisch Tierquälerei, bla, bla, bla.
Ich komme mir dann immer vor wie im Laufrad, viel gemacht, aber nirgendwo angekommen. Außer bei einer gewissen Portion Genervtheit. Kann ich nicht gebrauchen, kann weg.

Auch wenn es um Trainingsdinge geht, finde ich Pauschalurteile zum Kotzen. Alle Pferde müssen dies tolerieren, alle Pferde das. Wenn mich jemand nach Tipps fragt, antworte ich daher auch wahrscheinlich: Kann man so machen: Muss man aber nicht. Kann klappen – muss aber nicht. Weil ich ein Pferd als Individuum betrachte. Manche mögen dies, manche mögen das. Manche haben aufgrund ihrer Erfahrungen Macken, die man berücksichtigen muss. Manche kann man nicht einfach im Offenstall zwischenparken. Andere kann man niemals nie, auch nicht für eine Stunde, in die Box stellen.

Allein schon deswegen finde ich es schwer, Leuten Tipps zu geben, wenn man das Pferd nicht kennt. Klar funktionieren viele Dinge oft ähnlich – Hilfen zum Beispiel. Aber beim einen Pferd endet die “deutlichere” Galopphilfe halt im Galopp, beim anderen unten, weil das Pferd kitzelig ist und das blöd findet. Tipps sind immer eine heikle Sache. Und ich finde auch, dass es gar nicht so einfach ist, welche zu geben. Oder sagen wir: sie zu formulieren. Denn “Ja, da musst du nur das und das machen!” ist halt so eine Sache … Erst mal muss man natürlich gar nichts. Zweitens: Wenn ich wirklich nach Ideen suche, dann möchte ich eher nicht lesen: “Das geht nur auf diese Weise.”

Alle Pferde mögen sehr unterschiedliche Dinge. Und auch gleiche Dinge: Futter, Wasser, andere Pferde, Auslauf. Das sind Dinge in denen ich Zustimme. ABER: Nicht jedes Pferd verträgt das gleiche Futter, trinkt aus jedem Eimer, möchte Auslauf in genau einer Form und kommt mit jedem anderen Pferd klar. Allein schon in den Grundbedürfnissen haben Pferde, je nach Vorgeschichte einfach andere Vorlieben. Und ich hasse es, wenn Leute meinen, sie hätten die einzige Formel dazu und belehren einen dann wie bescheuert. Obwohl man das Gegenteil beweisen könnte. Manchmal hat man gar keine Lust mehr darauf. Weil Laufrad und so.

Pauschalisten möchten sich aber gerne wiederholen. So bekomme ich ja auch in regelmäßigen Abständen zu lesen, dass Baumsättel immer Quälerei sind, Eisen immer böse, weil sie den Huf zerstören, dass Pferderennen immer und egal wie schlecht sind, so wie sämtlicher Sport, dass Springen unnatürlich ist und Dressurreiter ihre Pferde nicht auf die Weide stellen. Außerdem darf man an Fellsättel keine Steigbügel machen, Fellsättel sind eh böse, weil nicht Wirbelsäulenfrei, dann ist gebissloses Reiten ja auch nicht automatisch gesund und nur am Gebiss kann das Pferd an die Hand treten – Gebisse sind aber auch böse, genau wie Rennpeitschen, aber die Wendys dürfen alle bei der Freiarbeit damit rumfuchteln. Das sind so ziemlich die häufigsten Pauschalurteile, die ich so in meinem Reiterleben höre und ich bin zu alt und zu schön, um das immer wieder zu relativieren, wenn die Pauschalisten sich unterhalten. Okay, vielleicht bin ich auch nur zu alt. Oder zu faul.

Wann wird es eigentlich endlich mal Trend, das Pferd als Individuum zu betrachten, das niemals genau so ist wie das vorherige. Sonst vermenschlichen wir doch auch jeden Scheiß – aber ausgerechnet das Pferd hat nach Schema F zu funktionieren. Ganz schön mittelalterlich.

Foto: Blblblblblblblblbl – Es schlabbert mal wieder was ab.