Irgendwann passiert es ja doch. Jemand setzt sich auf euer Pferd und das seid nicht ihr. Wir Pferdemenschen spalten uns da in zwei Lager. Entweder wir kritteln dann so richtig an demjenigen rum (ist es unser Reitlehrer tun wir das natürlich nur so, dass der das nicht mitbekommt), oder wir nerven denjenigen, der da drauf sitzt, mit tausend guten Tipps. Ich bin in der regel ein stummer Mensch. Ich sage nicht sofort was, primär, weil mein Pferd weder lebensgefährlich, noch doof ist und sich schon mit der fremden Person arrangieren wird. Wirkt sie hilflos und fragt nach, sage ich aber natürlich etwas.
Reitet meine Reitlehrerin bin ich taubstumm. Die soll das mal machen, die kann das sowieso besser als ich, sonst würde ich ihr ja Unterricht geben und nicht umgekehrt.

Aber beim Probereiten, da ist man schon in Versuchung. Oder generell, wenn da jemand draufsitzt, der uns von seinen Qualifikationen noch nicht überzeugt hat. Freunde, oder Bekannte. Ich biete fast jedem an, mein Pferd zu reiten. Ein bisschen, weil ich Sadist bin und das irgendwie lustig ist, wenn mein Pferd so tut, als wäre sein Arsch vorne und sein Kopf hinten. Der ist nämlich auch Sadist. Das sind dann die unsinnigen Fremdreiter. Bringt keinem was, aber ich muss nichts ausbügeln, weil er das ja eh bei mir nicht macht.

Sinnig sind natürlich Proberitte für Reitbeteiligungen. Und die warnt man ja vor.
Potenzielle Reitbeteiligung steigt auf: Pferd sieht keine Notwendigkeit loszugehen. Ein zarter Knuff, während in meinem Hirn schon sämtliche Lichter brennen: Sausack! Geh halt!
Die potenzielle Reitbeteiligung bittet. Ich hätte jetzt schon befohlen. Er geht immerhin dann irgendwann mal. Auf drei Hufschlägen mit Außenstellung. Schwitzehände, Kippe an. Merkt die das denn nicht? Der geht wie ein Eimer!
Meine Bitte: „Ein bisschen fleissiger im Schritt, sonst schlufft der so.“
Sachtes Klopfen. Pferd ignoriert das. Man selbst scharrt schon mit den Füßen im Sand und möchte was werfen.
Pferd trabt schließlich an. Vorne Trab, hinten Schritt. Und die potenzielle Reitbeteiligung? Die tut erst mal gar nichts. Wieso nicht? Das muss sie doch merken! Als sie vorbeischlufft, eine drohende Geste meinerseits Richtung Pferd. Der trabt dann endlich mal mit allen Beinen. Irgendwo mit dem Kopf im Sand auf der Vorhand und untertreten ist auch nur was für Weicheier.
Die potenzielle Reitbeteiligung lächelt jedenfalls krampfhaft. Findet die wohl auch nicht so schön. Zweite Kippe.
Ich sage (obwohl ich innerlich eigentlich schreie): „Galoppier den gleich mal an, dann ist der Gang drin.“
Das klappt dann auch. Der Gang ist danach allerdings so gut drin, dass er sich jetzt fürs Rennen entschieden hat. Und ich mich für einen spontanen Atomschlag auf dem Reitplatz. Und sie lässt ihn auch einfach weiterrennen.

Nachdem ich mich wieder abgekühlt habe, weiß ich aber auch: Das erste Mal auf einem fremden Pferd ist zum Kotzen, vor allem, wenn der Besitzer dann genau hinschaut und man weiß ja auch nie, an wen man da geraten ist. Eine Tüddeltante, wo man dem Pferd niemals Bescheid sagen darf? Eine militante Diskutiertante? Nein, ich beruhige mich, schlucke meine ganzen (wirklich unsinnigen) Kommentare runter und sage: „Der ist am Anfang immer so mit neuen Leuten, den muss man etwas überzeugen. Kannst auch ruhig sagen, wenn es scheiße war, das kenne ich schon.“

Sitzt die Reitlehrerin drauf, ist man meist im: HÄ? Modus. Da schwingt das Pferd locker flockig über den Reitplatz, macht einen Kragen wie sonst was und reagiert fein auf Beinchen, Stimme und Gewicht. Hängt auch gar nicht mehr in den Zügeln. Und man selbst? Man selbst steigt danach auf und eimert über den Platz, als hätte man gerade die erste Reitstunde. Reitlehrer können verdammt demotivierend sein.

Wenn ich dann ein bisschen deprimiert bin, denke ich aber gerne an den Todesstern. In einer Reitstunde hat die sich so daneben benommen, dass wirklich an gar nichts mehr zu denken war. Meine Reitlehrerin verlangte einen Tausch. Das muss doch an mir liegen, so bescheuert war die noch nie.
Ich tausche – ab auf den Plastikstuhl und meine Reitlehrerin in den Sattel. Und was sehen meine Augen da, die schon beinahe tränennass sind, weil so gar nichts funktioniert? Der Todesstern zieht genau dieselbe Nummer durch. Giraffenlaufen, Brettbiegen und Eckenspringen. Da bin ich ja schon ein bisschen beruhigt. Manchmal sind Pferde nämlich einfach aus Prinzip schlecht gelaunt. Und die gleich dreimal.

Foto: Gemeiner Kerl, der sich jedes Mal was Neues ausdenkt, wenn er einen Fremdreiter sieht.