Ich sag ja öfters mal, dass früher alles besser war. Meine Reitstunden waren es zumindest … meistens … und wenn nicht, war dann auch ich schuld, weil ich ja immer mit dem Pferd aufschlug, das den meisten Unsinn gemacht hat. Oder die schlechte Laune meiner Reitlehrerin – die nicht immer ich verbrochen habe. Oder das Pferd auf dem ich saß.

Meine Reitlehrerin taucht pünktlich auf, ist aber schlecht gelaunt, weil maulendes Teenygör im Gepäck, das vergessen hat, sich für die Reitstunde anzumelden- was im Umkehrschluss bedeutet, es ist kein Pferd mehr für sie da.
Und meine Reitlehrerin ist rigoros: Keine Anmeldung – keine Reitstunde.

Es ist Winter, alle sind dick vermummt und ich sehe auf dem schwarzen Monster aus wie der Todesstern. Ich bin auch so beliebt wie der Todesstern, denn alle machen jetzt schon einen Bogen um mich.
Noch etwa fünf Minuten bis die reguläre Stunde anfängt, das Teenygör quengelt ohrenbetäubend und man hört es auch in der hinterletzten Ecke der absolut riesigen Halle.
Ob es daran liegt, oder an anderen Dingen, eines der Schulpferde bekommt spontan einen Rappel, buckelt los und setzt seine Reiterin ab, während der Schrei des Teenygörs noch in der Luft schwebt: „Ist denn gaaaaar kein Pferd mehr freiiiiiiiiii?“
Meine Reitlehrerin deutet auf das immer noch buckelnde Pferd: „Doch, jetzt wieder.“

Das Teenygör lehnt plötzlich erstaunlich schnell ab und verkrümelt sich ins Reiterstübchen, da ist es warm und viel besser auf dem Pferd, wie ihr spontan einfällt.

Schnell wird noch die gefallene Reitschülerin vom Hallenboden gekratzt und losgeritten, auflockern, warmmachen, das volle Programm. Ungefähr zehn Minuten lang, denn dann will eine Mutti Beratung. Bezüglich Beritt. Meine Reitlehrerin bietet ihr an, das nach der Reitstunde zu klären, weil sie gerade unterrichtet. Wie man eventuell merken könnte, denn sie steht auf dem Mittelzirkel und brüllt Kommandos.

Der Todesstern findet die Mutti sehr bedrohlich und legt vorsichtshalber die Ohren noch etwas weiter nach hinten als sonst. Röchelt auch. Vielleicht steht sie auf Darth Vader. Oder spontane Schnappatmung. Führt zu Husten – Husten führt zu drei buckelnden Privatpferden, die auch noch in der Halle herumschwirren + buckelndes Privatpferd tritt gegen Hallenbande = Chaos.

Wer macht nichts? Der Todesstern. Der steht nur anmutig da, mit gespitzten Ohren, als wäre sie ein bisschen stolz, was sie mit ihrem kleinen Huster ausgelöst hat.

Mutti hat ihr Heil in der Flucht gesucht. Dafür ist meine Reitlehrerin mir aber nicht dankbar. Oh, nein.
„Bügel überschlagen – Leichttraben.“
Das kann sie eh nicht kontrollieren, so dick wie ich eingepackt bin – denke ich. Sie merkt es aber trotzdem.

Das Telefon meiner Reitlehrerin klingelt. Sie drückt weg. Es klingelt noch einmal. Und noch einmal. Als ich das nächste mal an ihr vorbeireite (im Schritt) stopft sie es in meine ausgebeulte Manteltasche, die sich einladend vor ihr präsentiert.
Jetzt sitze ich auf dem beklopptesten Pferd und klingele dabei. Super! Düdelnd wie ein Gameboy setze ich zur Galopparbeit an, werde aber von meinen Mitreitern rausgevotet, ganz wie bei Big Brother und muss auf den hinteren Zirkel gehen, wo ich fast mit einem Privatpferd kollidiere, denn dessen Reiterin meint, teure Pferde hätten Vorfahrt – ja, das Phänomen gabs damals schon.

Kess wie ich bin habe ich mir für die Galopparbeit die Bügel geschnappt. Denke, das merkt keiner. Merkt sie aber: „ICH HAB GESAGT: BÜGEL ÜBERSCHLAGEN!“
Kriege ich auch die restliche Stunde nicht wieder und wäre es nicht so viel Aufwand, hätte sie mir die wahrscheinlich direkt abmontiert.

Bimmelnd muss ich auch an der Abteilung teilnehmen. Natürlich ganz hinten, der Todesstern hat schließlich eine exorbitante Umlaufbahn – und die kollidiert zu oft mit anderen Planeten … äh Pferden.
Höre leichtes Wimmern von der Reitschülerin vor mir, die hat etwas Probleme mit ihrem Pferd in der Abteilung. Und Angst vor der Gefahr von hinten – mir.

Als die Abteilung geschlossen galoppiert, kommt sie den Privatreitern ins Gehege, die klönend Schritt reiten, ich sehe Eskiiii Abschwitzdecken fliegen und Pferde in wilder Flucht. Der Todesstern jetzt nicht, die hat heute keine Lust auf flüchten. An gesittetes Abteilungsreiten ist nicht mehr zu denken.

Gottlob werden alle Beteiligten alsbald von der Uhr erlöst, ich drücke meiner Reitlehrerin ihr Handy in die Hand und wage mich dennoch nicht die Bügel wieder aufzunehmen. Auch wenn sie der Halle jetzt den Rücken kehrt.
Für genau fünf Sekunden, dann hat sie schon den nächsten Missetäter erblickt: „SCHRITT WIRD NICHT AUF DEM ERSTEN HUFSCHLAG GERITTEN! ABSTEIGEN; FÜHREN!“

Das machen vor Schreck dann gleich alle.

Foto: Guten Tag, möchten sie vielleicht eine hässliche Schibbi-Schabbi kaufen?