… fällt mir in den letzten Monaten bei Reitern immer häufiger auf. Ja tatsächlich, sogar sehr oft. Eigentlich haben Reiter einen ziemlich universenübergreifenen Konsens, bezüglich der Dinge, die erlaubt sind mit Pferd und welche nicht. Rollkur ist böse. Oder Pferde nur in der Box halten. Oder dass sie kein Schnitzel essen dürfen.
Nun sollte man doch meinen, das wäre also allgemeingültig und auf jeden Reiter und die Beurteilung des selbigen anzuwenden. Wenn ich anfange Rollkur zu reiten, erwarte ich jedenfalls zurecht einen Shitstorm. Ich hoffe es doch! Echt jetzt …

Nein … Halt. Reiter sind Meister der Doppelmoral. Dass Franz Peter Hodenklöppler mit Hackamore übers Feld juxt, während er munter beidhändig knallekurz geführte Zügel hat – das ist nicht okay. Wenn das aber der Mann im Fernsehen im Parcours macht, dann ist das toll und es findet ein Umdenken bei den Springreitern im Parcours und im Spitzensport statt: Der reitet doch gebisslos. Okay, er reitet auch falsch und weiß offensichtlich nicht, wie man ein mechanisches Hackamore benutzt – aber hey: Der Mann ist im Fernsehen, der weiß das besser als die anderen. So sagen dann plötzlich die Leute, die vorher noch Herrn Hodenklöppler doll beschimpft haben. Doppelmoral eben!

Das Mustang Makeover ist dafür auch ein grandioses Beispiel. Was für ein Aufschrei, wenn Sportpferde über den Teich gekarrt werden. Buhu, die Tierschützer machen sich in den Schlüpper, die armen Pferde fahren Bus. Das geht nicht. Wenn Mustangs aber mal eben aus Amerika geflogen werden, dann ist das okay. Weil? Weil. Weil die ja behaupten, dass die gerettet werden. Retten … darauf reagieren Reiter sonst auch allergisch. Ist dann wieder okay. Jetzt gerade. Schließlich werden die ja jetzt 90 Tage bespaßt und dann wieder rumgekarrt und dann vorgestellt, damit die wer kaufen kann.
Machen andere in 90 Tagen ein komplett rohes Pferd “fertig” sind das arme Babys. Bei Mustangs gilt das wieder nicht. Sind ja auch namhafte Trainer dran.

Es ist auch okay, wenn generell irgendwelche Turnierstars dubioser Mittel überführt werden. Der Erfolg gibt denen ja recht. Was habt ihr Meckerfritzen schon erreicht? Lasst die halt ihre Rollkur reiten, lasst sie ihre Pferde dopen, das geht schon klar. Stehen doch in der Öffentlichkeit.
Jedes Reitbild wird zerfetzt. Sitz ist scheiße, Pferd ist verspannt. Dasselbe Bild im großen Viereck und Schwupps, alles freut sich.
Gilt übrigens auch für den Halsring. Da ist man sich ja eigentlich einig – das macht man nicht. Jedenfalls nicht draußen, wo man andere im Falle eines Falles gefährdet. Wenn große “Freiheitsdressuruschis” das machen, geht das aber klar. Die hat 20.000 Likes, dann muss das stimmen und richtig sein.

Ich frage mich wirklich, wann dieselbe Sache spontan besser wird, nur weil es eine bestimmte Person macht. Denn wir reden hier nicht von Dingen, die wirklich je nach Person total unterschiedlich genutzt werden können, sondern von Dingen, die für Reiter eigentlich immer schlimm sind. Wie oft hören wir: Ach, die armen Hengste bei der Körung werden zu schnell fertig gemacht, aber wenn der Padawan und die Trainergang Mustangs in 90 Tagen zureiten, dann ist das okay? Wie oft hören wir, dass Rollkur immer böse ist, aber wenn das ein holländischer Reitstar tut, dann sieht das wenigstens schön aus, denn der kann ja trotzdem toll reiten?

Witzigerweise greift die ominöse Doppelmoral dann wieder nicht immer. Schlaufzügel sind immer böse, Kopperriemen sind immer böse, nur in der Box stehen ist immer böse … aber vielleicht habe ich einfach nur noch nicht mitbekommen, wie prominente Leute zu diesen Dingen und Maßnahmen gegriffen haben – sondern immer nur wenn es Franz Peter Hodenklöppler tut. Und da war es immer schlimm. Merke: Wenn man prominent oder im Fernsehen ist, oder einfach genug Likes bei Facebook hat – dann findet sich immer einer, der das auch verteidigt. Praktisch. Ich üb schon mal die Rollkur.

Foto: Eigentlich bin ich dafür aber auch zu faul und geh lieber raus.