Reiter lieben es dramatisch. So auch aktuell wieder, wie schon zu anderen Zeiten, wenn irgendwo, irgendetwas ausbricht, das irgendwie zur Quarantäne nötigt. Aktuell sind es diverse Herpes Fälle, momentan in Hessen. Ach, aber es ist eigentlich auch egal, wo was passiert, denn Reiter rasten dabei völlig aus, ist auch ganz egal ob Ripper oder Krankheit, und ob man nur mal an besagtem Stall vorbei gegangen ist und eigentlich 300 Kilometer weit weg wohnt, nein, man ist selbst quasi instant mitbetroffen und hat dann auch gleich was zu berichten.

Sieht man ja gleich an den Kommentaren unter den drastischen Warnposts:
„Boah, das ist ja im selben Bundesland, ich habe Angst!“
„Oh, Gott, da ist die Cousine meiner Freundin, davon die Omma und deren Enkel reitet da die Schulponys.
„Hilfe, das ist ganz in meiner Nähe.“ – guckt man ins Profil kommt die Dame aus München. München ist dann doch ein paar Kilometer weiter entfernt …

Reiter haben es liebend gern dramatisch, das sieht man schon an der Art, wie solche Posts verfasst werden. Die Bildzeitung wäre stolz auf derartige Artikel, denn so dramatisch wie man uns die Glauben machen möchte, ist es dann doch meistens nicht. Denn aus einem erkrankten Pferd werden 10 tote Pferde und Reiter und die Seuche ist so ansteckend, dass nur hingucken reicht und am besten macht man da so ein großes Zelt drüber, wie in Amerika, wenn die Termiten vernichten wollen.
Es werden Adjektive benutzt wie: „Absolut tödlich“, „verseucht“. Dann immens viele Ausrufezeichen. ACHTUNG! GANZ VIEL CAPSLOCK! Hier geht es schließlich um Leben und Tod!

Wirklich schädlich wird es dann für Stallbetreiber im Gesamtumfeld der Seuche, wenn es nämlich Turniere oder Lehrgänge gibt. Denn Reiter wissen ja jetzt: Hessen hat Herpes. Und das ist einfach der gesamte hessische Kreis, scheißegal, wo das ausbricht, es wird erst mal massiv gewarnt, irgendwo hinzugehen. Da kennt immer irgendwer irgendwen, der mal da war und da hatte ein Pferd auch Herpes und deswegen darf man da auf keinen Fall zum Turnier oder Lehrgang fahren.

Gerne garniert mit irgendeinem warnenden Blogeintrag. Dass in besagtem Stall einfach gar nichts ist – draufgeschissen. In Hessen gibt es Herpes! Alle tot. Pferdige Bevölkerung quasi ausgelöscht. Also kurz davor. Und dann waren diese erkrankten Pferde auch angeblich immer auf Reisen. Überall, durch die ganze Republik quasi. Und panisch werden die einschlägigen Portale durchforstet, weil mal irgendwer gehört hat, wie das erkrankte Pferd heißt. Danach akribisch ein Plan erstellt und danach sind mindestens noch 20 Höfe betroffen, obwohl das Pferd niemals dort war. Und auch gar nicht so heißt.

Es wird überall gemunkelt. Will da jemand vertuschen? Denn plötzlich melden sich ja Leute und sagen: „Habt ihr einen an der Waffel? Bei uns im Stall hat kein Pferd Herpes.“
Aber das kann ja gar nicht sein. Steht doch im Internet. Was im Internet steht, ist wahr.

Foto: War mal in der Nähe von Equine Influenza. Irgendwann mal.