Der Anfänger heißt so, weil er gerade erst anfängt zu reiten. Aber er bleibt auch sehr lange Zeit Anfänger, weil er natürlich nicht nach X Mal Reitstunde plötzlich zum Hochbegabten mutiert. Man ist im Schnitt also recht lange ein Anfänger. Wo man beim Fußball, auch wenn man gerade erst dem Verein beigetreten ist, auch mal ein Spiel mitmachen darf, beim Turnen auf einen Wettkampf geht oder beim Schwimmen an einem Wettbewerb teilnimmt, ist man beim Reiten noch lange nicht nach derselben Zeit an diesem Punkt angekommen. Reiten ist nämlich gar nicht so einfach.

Leider vergessen sehr viele Reiter das. Und gucken auf die Anfänger herab. Dabei waren sie selbst durchaus über Jahre hinweg Anfänger. Völlig normal. Ich meine, man muss erst Mal überhaupt ein Gefühl für das auf dem Pferd sitzen entwickeln. Dann muss man seinen Sitz verstehen. Dann erst darf man überhaupt die Zügel in die Hand nehmen. Und muss danach Stunde um Stunde daran arbeiten, sich selbst und das Pferd in Einklang zu bringen, bevor man überhaupt daran denken kann zu galoppieren. Mehr Lektionen zu lernen. Um dann schließlich das Pferd auch gymnastizieren zu können.

Das dauert. Und man groovt sich in der Regel ja auch nicht auf einem Pferd schön ein und geht jeden Tag zur Reitstunde, um das Anfängertum möglichst schnell hinter sich zu lassen. Nene, so funktioniert das nicht. Meistens hat man einmal die Woche Reitstunde und in der Zeit dazwischen auch noch genug Muße all seine eigene Arbeit zunichte zu machen und zu vergessen. Aber wer kann sich halt auch dreimal die Woche Reitstunde leisten? Egal wie sehr man das will – das ist doch ein bisschen teuer. Ja – sonst würde man vermutlich schneller lernen.

In einer Anfängerstunde geht es vor allem friedlicher zu als in der Fortgeschrittenenstunde. Ein bisschen Chaos gehört dazu (gerade wenn Kinder anwesend sind und voll im Fahrradfahrlernmodus sind – die vergessen dann halt auch mal zu lenken und man muss eventuell mit einem schnellen Manöver ausweichen – sofern man selbst denn schnell genug schaltet). Vielleicht verliert da auch mal ein Pferd seinen Reiter, die Lektionen sind nicht so ausgeklüggelt und hin und wieder wird auch eine Abteilung zusammengesetzt, weil der Reitlehrer sonst einen Nervenzusammenbruch bekommt, wenn die alle reiten wie sie wollen. Aber es gibt viel weniger Neid und Missgunst, viel weniger Geprahle oder Gejammer. Warum? Weil die Anfänger wissen, dass sie der “Bodensatz” der Stallgemeinschaft sind. Sie sind das Anfängerkollektiv und sie wissen, dass sie noch nicht zu den Großen gehören. Daher beefen die sich auch nicht groß.

Aber dafür stehen natürlich die Fortgeschrittenen da herum und motzen und lästern. Das ist ja schon an sich lächerlich, weil sie selbst auch mal Anfänger waren. Keiner geht aus Pferd und reitet das mal eben locker durch ne L-Dressur. KEINER. Niemand kann ein Pferd korrekt stellen und biegen, wenn er selbst gerade anfängt zu reiten. Trotzdem gibt es da so ein paar Sonderfälle, die dann ganz empört an der Bande stehen und die “armen” Reitschulpferde bedauern. Na, hoffentlich haben die immer alles richtig gemacht.
“Guck, wie das Mädchen der Susi in der Schnute zieht. Ach, die Arme, blöde Anfänger immer.” Vergessen dabei selbst, dass sie der Susi auch mal das Gebiss durchs Maul gezogen haben um nicht runterzufallen (ja, sicher macht man das nicht. Aber irgendwann greift man halt mal zu, weil man sonst runtersegelt – passiert den Besten).

Das finde ich immer daneben. Genau wie Leute, die den Anfängern nicht helfen wollen. Ja sicher, wenn man mal keine Zeit hat, muss man mit denen jetzt nicht ein Schulpferd von der Weide holen. Aber wenn man sie eben doch hat, dann bricht einem wahrlich kein Zacken aus der Krone mal mitzugehen, wenn man doch selber weiß, dass es gar nicht so einfach ist, A) das Pferd zu kriegen oder B) Das Pferd allein aus der Weide zu holen, wenn die Schulpferdegang auch raus will.
Immer dran denken, als man selbst mal alleine da stand. Und niemand einem helfen wollte. Oder man sich nicht getraut hat zu fragen. Oder selbst mal gar nichts auf die Reihe bekommen hat, als man im Sattel saß. Wir waren alle mal Anfänger. Also Schnauze!

Foto: Männerliebe mit Zungenkuss.