Alle, die in der Reitschule reiten lernen, stehen irgendwann vor dem Ritterschlag: Der Reitlehrer möchte, dass man künftig nicht mehr in der Anfängergruppe sondern in der Fortgeschrittenengruppe lernt. Mit anderen, auf einem ähnlichen Niveau.
Das macht den Reiter natürlich so richtig, richtig stolz. Nicht mehr bei den Babys rumgurken. Jetzt geht es zu den Profis. Ab jetzt ist man wer. Da hält niemand mehr Händchen, oder man muss noch mal an die Longe. Nein, jetzt geht es richtig ans Reiten!

Mit stolz geschwellter Brust laufen wir also nach dieser Verkündung umher und freuen uns den Hintern ab. Auch die Stallbelegschaft wird informiert. Zufällig.
“Hast du Dienstag dann und dann Zeit?”
“Nein, da kann ich nicht, ich reite jetzt in der Fortgeschrittenen-Reitstunde.” Wie das schon klingt! Ein Ritterschlag! Ha! Geht weg, ihr Pöbel! Man umgebe mich mit gut reitenden Menschen!

Und die erste Reitstunde schon bald gekommen. Da geht er nun hin, der fortgeschrittene Reiter und bekommt auch prompt eins von den schwierigeren Pferden serviert. Nicht ganz so schwierig wie die ganz schwierigen – aber schon kompliziert genug, wenn man vorher nur die Anfängerelefanten gewohnt war.
Satteln – Trensen, kein Problem! Man ist Fortgeschritten. Steigt auch noch auf. So und jetzt soll bitte jeder sehen, wie gut man reiten kann.

Doch plötzlich sagt der Reitlehrer so komische Sachen. “Du musst auch dein Kreuz ein bisschen anspannen, wenn du treibst. So versteht der Max dich nicht. Der soll fleißigen Schritt gehen.”
Ja … öh … okay. Aber wie? Man klopft mal probehalber mit den Schenkeln. “NEIN1”, blafft der Reitlehrer. “Du brauchst eine gewisse Grundspannung. Und biegen muss der sich auch im Schritt. Du hast Fahrleinen.”
Jetzt hält der Max aber an.
“Und? Vergessen zu treiben? Du musst dich schon da oben drauf ein bisschen konzentrieren.”

Man fummelt sich also warm und ist jetzt schon irgendwie gar nicht mehr so erhaben. Vorher ritt man doch super und wurde viel gelobt. Und jetzt ist man zu blöd zum Schrittreiten? Na, denn mal antraben! Aber schließlich ist man schon wieder im Fokus des Reitlehrers.
“Was habe ich zu den Zügeln gesagt?”
Äh … ja, keine Fahrleinen. Jetzt pariert der Max aber blöderweise wieder durch. Auf dem Hufschlag. Und als künftiger Fortgeschrittener weiß man ja auch: Auf dem ersten Hufschlag wird nicht Schritt geritten. Also rumlenken.
Da schimpft aber schon wieder der Reitlehrer: “Antraben. Auf den Zirkel bei C. Das üben wir jetzt.”

Und dann sagt der eine Reihe von Dingen: “Wo ist der innere Schenkel?” Na, hier! Macht nur nix.
“Äußerer Zügel muss dran bleiben.”
“Du machst einen Knick in der Hüfte, so kann der Max sich nicht biegen.”
“Die Fersen runter, du fährst nicht Fahrrad.”
“Wo sind die Hände? Die gehören nicht nach oben.”
“Der äußere ZÜGEL!”
Obendrauf sieht man aus wie ein Flamingo beim Gummitwist – blöd eben. Und die Zunge hängt einem auch schon raus. War das immer schon so anstrengend? Und gucken mittlerweile schon die anderen Reitschüler verstohlen nach einem? Denn bei denen meckert der gar nicht so viel.

Jetzt geht es an den Galopp. “Beim Max darfst du den Schenkel nicht so weit zurücknehmen, der könnte sonst mal buckeln.”
Hä? Wie soll man das denn sonst machen? Das obligatorische äußere Bein wird ja wohl mindestens bis zur Schibbi-Schabbi zurückgelegt. Eine Hand breit hinterm Gurt ist doch für Lutscher. Und halbe Paraden? Kennt der Reiter noch nicht so wirklich. Hat er mal gehört. Aber noch nicht verinnerlicht.
Es kommt wie es kommen muss: Max hebt den Hintern. Das sitzt der Reitschüler aber. Schließlich ist er fortgeschritten. Sonst hätte man ihn nie für diese Reitstundenart zugelassen.
Aber galoppiert ist er immer noch nicht.
Das dauert auch ein ganzes Weilchen, denn der Reitlehrer will schon wieder so viele Sachen.

“Auf dem Zirkel geritten.”
“Die Bahnpunkte sind keine Dekoration, die haben einen Sinn.”
“Der innere Schenkel bleibt trotzdem dran.”
“Du knickst schon wieder weg.”
“Den äußeren Schenkel nicht zu weit zurück.”
“Warte, ich hol mal die Longe …”

Das ist der Todesstoß für den eigentlich fortgeschrittenen Reiter und er wird ganz schrecklich desillusioniert sein, wenn das passiert. Aber keine Sorge: Das geht uns Reitern allen irgendwann mal so. Wann immer wir “eine Klasse aufsteigen”, fangen wir dort trotzdem von unten an. Und es ist gar nicht so schlimm sich am Anfang noch etwas überfordert zu fühlen – wir fühlen uns nämlich alle irgendwann mal so.

Foto: Wäre voll was für Anfänger. Einfach nur außen rum schlurfen kann er.