Nein, nicht mit meinem Arschlochpferd. Nicht einmal mit dem Todesstern (die dort eh keinen Blumentopf gewonnen hätte), sondern mit einem fremden Pferd, das ihr noch gar nicht kennt. Nennen wir sie, Das schimmelige Grauen. Ja, wir kennen schon zwei Schimmel, aber das sind natürlich Wallache. Die hier ist Stute mit Dickkopf und wenig Hals. Und wenig Sinn für Humor, Turnier oder Freundlichkeit.

Wieso ich das schimmelige Grauen reite? Weil ich nicht schnell genug nein gesagt habe. Und wieso habe ich das nicht? Ich war nicht anwesend, als meine Reitlehrerin beschlossen hatte, wer denn welches Pferd auf dem Hausturnier vorstellt. Hätte ich das gewusst, ich hätte SOFORT verneint. Ich mochte die Stute nie. Und ich mag die auch heute nicht. Eine Kombination, die einfach schiefgehen muss.
Meine Reitlehrerin findet das ganz und gar nicht, als ich am nächsten Tag im Stall stehe und das schimmelige Grauen holen gehe. „Du reitest die doch sooooo nett. Das wird super.“

Spähe neidisch zu den anderen, die die richtig coolen Pferde erwischt haben. Ein schicker Rappe, der eine Granate im Parcours ist und natürlich ein A Springen mitgeht, obwohl der locker L kann. Oder das glänzende Ponytier, das einfach automatisch eine Schleife abbekommt, wenn man sich selbst noch ein paar Zöpfe dazu flechtet. Oder die feine Fuchsstute, die einfach wunderschön zu sitzen ist und auch als Schulpferd reihenweise L platziert war.
Und was habe ich? Die gerupfte Schimmelstute, die nur aus Mistfecken und hässlicher Schimmelung besteht, dazu noch gerne tritt, beißt und sonst wie blöd ist. Aber immerhin ist es eine A-Dressur und ich bin allein in der Halle. Da kann ich keinem die Prüfung vermiesen. Sehne mich nach dem Todesstern, es wäre weniger unangenehm dieses nichtskönnende Pferd die paar Prüfungsminuten durch die Halle zu schaukeln. Aber nö. You shall not pass.

Bei den Übungsaufgaben geht das ja auch noch irgendwie. Auch wenn ich der Stute die ganze Zeit mit Salami drohe. Während die anderen ja sooooo fein und sooooo schön reiten und sich schon die Schleifen ausmalen, die dann demnächst über ihren Spiegeln hängen. Ich rechne mit blauem Auge und Sand in der Fresse, wenn das so weitergeht, dass die Stute plötzlich die offene Seite der Halle gruselig findet.

Am Turniertag selbst darf ich natürlich von morgens an dabei zusehen, wie meine Mitreitet ihre Erfolge feiern. Ich freue mich auch für die. Aber kann ich nicht auch einmal mit einem normalen Pferd teilnehmen? Also so, normal, im Sinne von – wenn ich eine Parade gebe, dann passiert da auch was und wenn ich mit dem Schenkel drankomme, dann wird daraus KEINE kleine Rodeoeinlage.
Wenigstens so ein bisschen. So ein klitzekleines bisschen! Flehe in Richtung Reitgott, aber der ist spontan nicht da, hat keine Lust oder ist ein grässlicher Spanner mit Hang zum Sadismus.

Es kommt also wie es kommen muss. Abreiten in der Halle. Stute macht übrigens astreine Stopps an der Tür, bin in Versuchung sie noch schnell umzuschulen und einfach so lange draußen herumzureiten, bis im Nachbarstall das Westernturnier anfängt.
Meine Mitstreiter gehen nacheinander in die Halle. Kommen aber mit vagen Gesichtern wieder raus, ist so lala. Mal gucken wie das nachher aussieht mit den Noten.
Als ich einreite ist es still. Aus zwei Gründen. Erstens kennt jeder das schimmelige Grauen und wartet quasi schon auf ihre Show. Zweitens: es liegt ein Knistern in der Luft. Hier passiert gleich was. Was Großes! So groß das halt werden kann, in einer A-Dressur.

Und dann? Stute macht nen dicken Hals, schreitet elegant zur Mittellinie. Ich wage ein vorsichtiges Auge auf die Richter. Stute macht immer noch nen dicken Kragen. Könnte gut aussehen. Richter gucken mich an. Wohlwollend. Ich grüße.
Die auch.
Schenkel ran. Hand vor. Immer noch Stille
Es passiert nichts. Richter lächeln. Ich lächle krampfhaft. Noch mal leicht den Schenkel, will keine Gerte bei der Grußaufstellung nutzen …
Leichtfüßig macht die Stute einen Schritt vorwärts, ich will gerade beschwingt losreiten, als sie sich überlegt: Ach … weißt du was? Nö! Daraufhin steigt sie so dermaßen hoch, dass sie mit einem wilden Schnauben den Salto rückwärts schafft. Ich liege irgendwo unter diesem grauen Stutenhaufen und denke mir nur: Es war so klar …

Ich trolle mich, mir tut nix weh. Die Stute wird mir nachgeliefert, wie Briefe von einer alten Adresse. Oder Werbung … die man halt in einen Brief gesteckt hat und dann nachgesendet bekommt. Dinge, die man nicht haben will! Ihr wisst schon.
Immerhin, ich habe nur die halbe Unterhose voller Sand. Ist ja auch mal was.
Nachdem dieses Chaos vorbei ist und ich die Stute endlich abgeben darf, kommt aber die Schreiberin der Prüfung noch angelaufen.
Ob ich nicht mein Protokoll haben möchte! Ne … also echt jetzt nicht.

Lasse mir den Zettel trotzdem geben, muss allerdings ziemlich lachen, als ich den lese. Besorgte Stimmen, fragen, ob ich mich doch etwas doll am Kopf gestoßen habe.
Habe ich aber gar nicht. Mein Protokoll ist nur zu gut: „Pferd beim Grüßen leider umgefallen. Schade!“

Foto: Deswegen lernen wir jetzt fahren, dabei fällt man nicht so schnell um.