Abreiten ist ein Phänomen, an dem man teilgenommen haben sollte, um es zu verstehen und zu verinnerlichen. Hier herrscht noch das Recht des Stärkeren, die Reiterei als Wettstreit, inklusive einiger tierischer Instinkte, die deutlicher als sonst hervortreten – Leben am Limit! Willkommen am Abreiteplatz!
Also Blüschen bügeln und rauf aufs Pferd, falls ihr noch nie dort wart. Einmal müsst ihr das gemacht haben, sonst wisst ihr nicht, was es heißt, auf engstem Raum mit einer Menge Assis eingesperrt zu sein – und ich meine nicht nur die Reiter.
Definitiv unterscheiden muss man zwei Formen der Abreiteplätze: Springen und Dressur. Woran sich das Unterscheidet? Na, am Sprung, der grundsätzlich irgendwie ungünstig stehen muss – gehört wohl irgendwie dazu.

Ergo verirre ich mich zuallererst mal auf den Springplatz – mit dem schimmelnden Springschimmel, der definitiv das Recht des Stärkeren beanspruchen wird – sowohl mir gegenüber, als auch meinen Mitreitern gegenüber. Immerhin: So viele sind das doch gar nicht. Nur 17 …
Mein verwirrter TT fragt eine Dame, ob die denn wohl alle dürften. Hallo! Die ist immerhin in drölf Stunden auch dran! Natürlich muss die schon abspringen.
Zwar gibt es ein armes Schwein, dass die Kopfnummern auf die Tafel schreibt, von den Pferden, die jetzt auch dort drin sein dürfen, aber Springreiter sind wohl mathematisch nicht begabt, oder alle blind.
Als der Sprung das erste Mal komplett umfällt, tippe ich übrigens auf blind.

Bekomme es auch prompt bestätigt, als ich zum ersten Galopp ansetze, denn es rumpelt was in mich rein: Ein Springelefant. Nun, da kennt er den Schimmel schlecht, der bleibt prompt stehen und überlegt sich gerade, ob er jetzt so richtig ausflippen soll, oder ob er sich das noch für den Parcours aufhebt. Springelefantenreiter brabbelt sexuelle Grobheiten in meine Richtung. Na, gut, dann heute ohne Niveau.
„Sprung frei“, höre ich auch alle zwei Minuten. Von gefühlt 300 Leuten, die sich auch gar nicht darüber einig sind, auf welcher Hand der Sprung jetzt genommen werden soll. Dann halt jeder wie er will.

Am Ende bin ich nicht einmal gesprungen, weil ich mich schlichtweg nicht getraut habe, in diesem Chaos den Sprung anzupeilen. Gebt mir ein M-Springen – das ist mir egal – da bin ich wenigstens alleine im Parcours. Ich springs sogar ohne das Pferd – Hauptsache ich muss nicht mehr auf den Abreiteplatz.

Aber halt! Eine Prüfung allein? Ach, das geht doch nicht. Und ich atme auf, ist ja eine Dressur, da muss ich nicht mit den irren (und blinden) Springreitern alleine sein. Dressurreiten ist doch sicherlich manierlich, oder nicht? Bisher habe ich ja nur die Westernreiter erlebt, ergo male ich mir Ruhe und Besinnlichkeit am Abreiteplatz der Dressurreiter aus.
Ich sattle also und dann fällt mir ein, dass ich ja auch schon mal Abreiteplatzdienst hatte. Ich sitze auf meinem Assi (nicht der Springschimmel – ne, der Kölsche Assi … den kennt ihr auch schon) und kralle mich panisch fest. Nein, nein, ich will das nicht.

Buckelnd und furzend kommt bereits ein Pferd rausgeschossen, die Dame vom Platzdienst bringt sich kreischend in Sicherheit und nimmt ihr Schild gleich mit.
Immerhin finde ich hier nur 9 Pferde wieder – allerdings auch nicht die vorne angeschriebenen 6.
Hm … aber ich bin auch bald dran. Frage also, ob ich jetzt auch drauf darf, weil meine Nummer da steht, jammert sie nur. „Macht doch jeder was er will.“
Ich werte das als ja und mache uns ein bisschen warm. Aber eben nur ein bisschen, denn Dressurreiter sind ja Kringelreiter und die reiten sie auch. In den absurdesten Formen. Eine turnt mit Seitengängen über den Platz. Die weiß schon, dass wir eine A reiten?

Neben mir kämpft ein Mädchen von vielleicht 14 Jahren mit Muttis Dressurpferd, das den Reitplatz mit einem All-You-Can-Eat-Buffet verwechselt hat, denn da sind ja überall Bäume. Mutti schreit von Außerhalb: „Schakkkeliiiiine, mach die Beine ran, der Däääncaaaa macht was er will!“
Der Däääncaaaa also …
Mein Assi und ich wurschteln uns durch die ganzen Kringelreiter, aber dann schießt schon wieder der Däääncaaaa quer, der irgendwo eine böse Pusteblume erspäht hat. Während die Seitengangfrau im Trabtakt die Gerte flitschen lässt. Außerdem haben zwei bereits fertige Damen den ersten Hufschlag für sich entdeckt, um ungestört zu lästern. Trockenstehen bei C – überhaupt kein Problem.
Bin nun limitiert auf eine kleine Volte rechts neben dem Eingang. Reit ich halt da ab …

Foto: Wäre zumindest der Schnellste auf dem Abreiteplatz.