Manchmal stolpert man ja über kuriose Videos, wo Leute nach Guru ABC oder Reitlehre 123 arbeiten. Da denkt man sich dann schon: Hm … hysterisch fuchteln, damit das Pferd in den Brummkreiselmodus geht, das kann ich auch. Oder: Dumm rumstehen, während ein offensichtlich aggressives Pferd seine Grenzen spontan ausweitet – das kann ich. Aber man versteht natürlich nur nicht den tieferen Sinn. So ist das nämlich, wenn man nachfragt, was das eigentlich soll.

Ich stehe also mit meinem Springschimmel in der Halle, habe gerade nachgegurtet und möchte gerne ein bisschen reiten. Da die große Halle mit Kinderreitstunden dicht ist, bin ich ausgewichen und nun mit einer Longiertante in der Halle. Die Longiertante braucht ja schließlich nur einen Zirkel und ich nehme dann einfach den anderen oder mal ganze Bahn. Das wird schon.
Ich trabe an und werde vollgequasselt. Denke ich jedenfalls. Denn die Longiertante hört gar nicht mehr auf zu reden.
„Hast du was gesagt?“, fragte ich nach zwei Runden Dauerbeschallung.
„Hä? Ne, ich red mit meinem Pferd.“
Wie das jetzt Gebrabbel von Kommando unterscheiden kann, ist mir schleierhaft, aber hey – jeder wie er will. Außerdem scheint sie keins gegeben zu haben, denn das Pferd steht immer noch in der Mitte. Während sie mit dem Seil um es herumfuchtelt. Knallend und ausladend, als wäre es ein Lasso.

Ich trabe also lieber auf meinem Zirkel und beobachte von dort. Bisschen neugierig bin ich ja. Nach dem Gewedel und Gefuchtel zu urteilen, ist das ja ganz schön anstrengend. Das Pferd jedoch hat die Ohren im Genick und wackelt mit dem Kopf. Sonst aber nichts. Ist das eine Lektion?
„Der soll weichen“, erklärt sie mir, obwohl ich nicht gefragt hab.
Weichen wird der wohl in hundert Jahren nicht. Nicht bei dem Gesichtsausdruck, der sagt: „Komm näher und ich fress dich!“.
Ich will angaloppieren, doch die Bodenarbeitstante schreit und fuchtelt, was den Springschimmel zu einem astreinen Satz verleitet. Ich hänge also gerade noch an der Seite, pariere durch, ziehe mich wieder hoch und gucke auf den anderen Zirkel, wo die Hupfdohle auf ihr Pferd zuspringt wie ein Raubtier. Das Pferd hat auch sein inneres Raubtier rausgeholt und kickt in Richtung Frauchen mit den Vorderbeinen.

„Du, geht das ein bisschen leiser?“, frage ich dann doch. Der Springschimmel ist nicht schusssicher und bei aller Liebe: Das ist mir dann echt zu viel Gehampel.
„Würdest du Bodenarbeit machen, würde den das auch nicht stören. Ich muss das machen, der ist sehr dominant.“
Ich möchte auch spontan brutal dominant werden, aber lasse es lieber. Galopp dann eben nur, wenn er die Verrückte sieht, dann kann er es einschätzen.
Die verlegt sich immerhin jetzt wieder aufs Säuseln. Und erzählt ihrem Pferd wie schön es ist, weil es jetzt schon mal Schritt geht. Gewichen ist es aber immer noch nicht.

„Ich arbeite jetzt nach Mhmph“. Ich verstehe den Gurunamen nicht, weil die Hupfdohle nuschelt. Aha, soso, sage ich. Nicht, dass ich gefragt hätte.
Ich versuche mich an ein paar Schritt/Trab Übergängen, da kommt mir das Pferd an der Longe entgegen. Ohne Frauchen. Ich pariere den Springschimmel durch und der Wallach mit Longe bleibt auch stehen. Will sich gar hinter uns verstecken, dem scheint der Stuss auch nicht geheuer zu sein.
„Und was war das jetzt für eine Übung?“, fragte ich die Frau.
„Das sollte Vertrauen bilden. Laut Mhmph muss das Pferd verstehen, dass es nicht gezwungen wird.“
Nehme mir vor, nach dem Ritt zu googeln, welcher Guru denn so einen Unsinn behauptet.
„Dann mach das aber doch bitte, wenn keiner in der Halle ist. Ist ja lebensgefährlich.“
„Wieso?“
„Vergiss es.“
„Würdest du Bodenarbeit machen, dann würde gar nichts passieren.“

Ich mache übrigens Bodenarbeit. Total langweiliges Longieren. Ist wohl nicht nah genug am Boden. Ich verschwinde also. Ich ärgere mich lieber über sieben schreiende Kinder auf zehn Hufschlägen, als weiter über diese Hupfdohle.
Die schließt auch gleich brabbelnd die Hallentür, sodass ich sie nicht mehr sehen kann.
Allerdings ist eine Bekannte so verrückt, aufzusteigen und dort hineinzuwollen.
„Geh da nicht rein, da ist die M, die macht Bodenarbeit.“
Scheint sich rumgesprochen zu haben, denn meine Bekannte dreht sofort ungesehen um und geht lieber in eine Halle voller kreischender Kleinkinder.

Foto: Windig und fusselig.