Momentan befindet sich die Reiterei in einem komischen Status. Denn es gibt ja das Internet. Das bedeutet, dass beinahe alle Reiter gut vernetzt sind und sie auch Tierquälerei sofort anklagen können. Oder sagen wir: Alles, was sie als Tierquälerei empfinden, kann auch angeklagt werden. Einerseits ist das hilfreich, wie der letzte Fall in der Schweiz gezeigt hat. Denn ein wütender Mob mit Fackeln und Mistgabeln kann halt auch manchmal was erreichen. Ja, manchmal ist das wirklich hilfreich. Soweit so gut.

Dafür haben Reiter jetzt etwas Neues entdeckt. Man kann sich als Tierlieber Mensch hinstellen, wenn man einfach “schlimme” Videos negativ kommentiert. Gerne auch garniert mit Drohungen wie: “Wenn ich den in die Finger bekomme!” Da schläft es sich doch gleich viel besser und vom Sofa musste man auch nicht aufstehen. Toll! Win:Win! Außerdem hat es noch den netten Nebeneffekt: Die anderen Leute wissen gleich auch, dass ich ein guter Mensch bin, weil man ja so schön auf Facebook gesehen wird. Grandios.

Und dann sind da noch die, die wirklich etwas tun. Leider zweifelhaftes. Na? Kennt ihr auch diese Fotoposts: “Ist das nicht schlimm? Totale Tierquälerei!”
Und alle so: “Jaaaaa, alles böse.” Aha. Und sonst? Was hat das jetzt irgendwem gebracht?
Irgendwann kommt nämlich die unschöne Frage: “Was hast du denn dagegen gemacht?”
“Ein Foto!” ist hier übrigens nicht die richtige Antwort.
Auf Turnieren kann man Reiter ansprechen. Wenn man einen Mund hat. Oder Richter. Ja, das geht, echt jetzt. Und wenn ich sehe, wie jemand auf einem lahmen Pferd warmreitet, während er es mit der Gerte traktiert, dann mache ich kein Foto, sondern meinen Mund auf. Aber das seht ihr dann nicht auf Facebook. Erst, wenn mich vor Ort alle ignoriert haben.

Aber dann kommen die Ausreden: “Mir hört ja eh keiner zu.” Oder: “Was soll ich denn da sagen?” – na, ganz einfach. Das, was du hier zu deinem tollen Foto gesagt hast? Ist das so schwer? So schnell wird man auch nicht verhauen, vom Platz gejagt, oder zum Teufel gewünscht. Besser man macht da den Mund auf. Soll ja helfen. Im Internet aufregen ist natürlich einfach bequemer. Gerne auch ohne Foto, nur mit traurigem Text, der sehr viele Heulsmileys beinhaltet. Nein, bloß nicht vor Ort mal den Mund aufmachen. Lieber allen Reitern bei Facebook den Missstand mitteilen. Natürlich ohne Namen und ohne Ort, nicht, dass man nachher noch wegen übler Nachrede verklagt wird.

Es ist schon kurios, dass der Reiter so sehr damit beschäftigt ist, andere zu diffamieren, aber sich 0 dafür interessiert, dass der Missstand für das Pferd JETZT und HIER und SOFORT behoben wird. Ne, lieber ein Foto machen und hintenrum drüber schimpfen. Wem hilft das jetzt? Einem selber?
Da passt es dann auch einfach zu gut, dass dieselben Leute, die ganz viele traurige Schlachtfohlengeschichten teilen, außerdem schlimme Geschichten erzählen, aber dann nie eingreifen – selber kein Problem damit zu haben, ihr Pferd einfach wegzugeben, wenn es alt ist. Das finde ich so heuchlerisch, dass ich gar keine Worte dafür habe. Jaja, das Pferd kommt immer auf den Gnadenhof. Das wurde nicht mit Schutzvertrag weg gegeben, damit es jemand anderes an der Backe hat. Nö, nö, war gar nicht so.

Ich sag gar nichts gegen Rentnerplätze. Das ist eine tolle Sache, das Pferd muss ja jetzt nicht im hippen Aktivstall mit dreihundert Hallen und zehn Stübchen stehen, wenn es das alles gar nicht mehr braucht, sondern nur altersgemäßen Auslauf und Freunde. Aber es dann noch als “Lehrpferd” mit 28 zu vertickern, gerne auch für 3000 Euro … also da hört der Spaß auf. Aber nicht vergessen: Niedliche Schlachtfohlenbilder mit traurigen Smileys teilen. Während einem das eigene Pferd am Arsch vorbei geht.

Wenn der gemeine Reiter also gerade nicht wegschaut, dann gibt er gerne auch mal sein Pferd weg. Ist doch auch doof, kann man nicht mehr reiten, kostet Geld. Finde ich ja oft deutlich mehr daneben, als ein Foto von einem Pferd, das hinter die Senkrechte kommt. Aber Hauptsache, man kann ganz viel Geschrei darum machen. Natürlich nur auf Facebook, nicht dass es nachher die Richtigen hören. Will man ja nicht.

Foto: Ist noch da. Aber auch noch nicht alt. Aber wenn er mal so richtig alt ist, möchte ich bitte 5000 Euro dafür, dass ihr ihn streichelt. Er hat euch schließlich SO viel zu geben!