Ihr wolltet, dass ich euch was vom Todesstern erzähle. Habe ich jedenfalls so vernommen. Woher kommt die? Und warum steht sie mir auf dem Fuß?
Eigentlich ist es unspektakulär, meine Reitlehrerin kam mit zwei Pferden vom Händler wieder. Das eine ein bisschen moppelig, flauschig und lieb. Braun. Name einer Märchenprinzessin (beibehalten). Und dann war da noch das zweite. Das einem mit dem Hintern ins Gesicht sprang, wenn man es schief anguckte. Das war der Todesstern – umgetauft. In einen recht harmlosen Namen, aber ihr Name davor war auch ziemlich blöd.

Ich, zu dem Zeitpunkt leidliche 13 oder 14 Jahre alt, komme also zu meiner Reitstunde und da steht mein Name bei diesem ominösen Pferd in der Spalte. So ohne Vorwarnung. Allerdings hatte ich schon eine Begegnung, mit einem Pferd, das meine Reitlehrerin neu angeschafft hatte. „Die ist totaaaaal lieb!“, sprach sie. Während ich auf dem sich überschlagenen Pferd saß. Da ging die dann doch mal lieber nicht in den Schulbetrieb.

Der Todesstern war da bereits wieder einen Tag in Betrieb. Die Leute, die am Tag zuvor da waren, waren aber offenbar nicht an diesem Tag zugegen, denn ich bekam keine warnenden Worte zugesteckt. Eigentlich gar nichts, außer ein paar Gamaschen. „Die braucht die.“
Ich stapfte also mit meinem Putzzeug zur Box des Todessterns und ein misstrauisches, schwarzes Monster begrüßte mich. „Mach die Tür auf und du bist tot.“
Aber mein Teeny-Ich hatte überhaupt noch nichts Schlimmes je mit einem Pferd erlebt, außer ein paar Stürzen, die völlig harmlos waren (aber spektakulär aussahen), sodass ich mich davon gar nicht einschüchtern ließ. Das war für den Todesstern schon irgendwie zu viel. Die geht nicht, wenn ich böse gucke. Shit! Was mach ich jetzt?

Außer, dass das Pferd keine nennbaren Ohren (weil zurückgeklappt), vorweisen konnte, war auch eigentlich alles in Ordnung. Ich durfte satteln, trensen und auch aufsitzen. Bis zur Halle kam ich dann auch. Fragte mal kurz, ob die Tür frei ist und der Todesstern parkte.
Meine Reitlehrerin drückte mir verstohlen eine Gerte in die Hand. Machte sie sonst nicht einfach so.
Hm … okay. Todesstern? Hallo? Hallo?
Todesstern macht drei Schritte in die Halle und parkt wieder. Um dann sehr ulkig auf der Stelle zu hupfen (sie hat es NIE verstanden, ihren Reiter wirklich loszuwerden. Ich bin nur ein einziges Mal von ihr gefallen. Und einmal mit ihr. Und das erste Mal war am Sprung und meine eigene Schuld). Was immer da passiert ist, ich fand es einfach unglaublich lustig, wie böse sie sich gab und wie wenig dahintersteckte.

Von da an habe ich beschlossen, dass ich sie mag. Egal wie böse sie guckt. Sie hat das nicht beschlossen, aber wenn man geliebt wird, liebt man eben immer ein bisschen zurück. Das Bisschen war allerdings hart über Jahre erkämpft.
Ich dümpelte also in der Reitstunde mit diesem Brett von Pferd umher, bis es an den Galopp ging. Plötzlich pfiff nämlich meine Reitlehrerin alle anderen Leute in der Halle in die Mitte.
„Ne, du nicht. Die kann man nicht lenken, deswegen stehen die hier alle in Sicherheit.“
„Wieso kann man die nicht lenken?“
„Die war früher Kutschpferd. Scheinbar kein Gutes.“
„Aber die muss man doch lenken können.“
„Ja. Aber dann fällt die fast um. Bleib einfach außen.“
Ähm … Vertrauenserweckend! Das, was ich im Spiegel sah, war ein Paddelboot auf drei Hufschlägen. Galopphilfen? Kenn ich nicht.

Kurios: Ich könnte anhand des Gangbildes kaum ein Pferd beschreiben. Das Gangbild des Todessterns, das sie immer und ewig beibehalten hat, das ist mir, wenn ich heute meine Augen schließe auch nach über 10 Jahren, in denen ich sie nicht mehr gesehen habe, absolut präsent. Es ist in meine Netzhaut eingebrannt, ein bisschen Todesstern begleitet mich immer.

Von da an, konnte mir das Pferd jedenfalls seine arschigste Seite zeigen. Ich fand sie immer toll. Habe sie eifersüchtig gegen alle Reitschüler verteidigt, die schlecht über sie geredet haben. Habe meinen Kopf durchgesetzt und trotz Facepalm meiner Reitlehrerin alle Reitabzeichenprüfungen des kleinen Reitabzeichens mit ihr abgelegt („Nimm doch wenigstens in der Dressur ein anderes Pferd, du kommst NIE mit der durch!“). Es war mir egal, wenn sie spontan beschloss, dass sie an DIESEM Anbinder nicht mehr stehen wollte und sich hinwarf. Es war mir egal, dass sie beim Trensen spontan durchstartete, Halfter zerriss und man sie ständig irgendwo einsammeln musste, weil sie losrannte, wenn ihr langweilig wurde. Es war mir alles egal. Wichtig war nur, dass ich am nächsten Tag wieder zum Todesstern durfte, um herauszufinden, was sie heute alles scheiße findet.

Foto: Kein Todesstern. Dafür ist er zu nett am Boden.