Manche Leute haben ein Problem. Manche ein Problempferd. Beides ist aber überhaupt nicht dasselbe, auch wenn die Leute gerne so tun. Denn Problempferde hat ja jeder, der ein Problem mit seinem Pferd hat? Nein, finde ich überhaupt nicht. Da muss mal eine logische Erklärung her.

Also: Problempferde sind Pferde die einen an der Waffel haben – augrund Vorbesitzer, schlechter Haltung, oder geistigem Irrsinn, der grundlos hervorkommt und den Reiter versucht ins Jenseits zu befördern.

Probleme mit dem Pferd haben alle Leute, die sich von ihrem Pferd auf der Nase herumtanzen lassen, die alles mit der Vorgeschichte entschuldigen, auch eindeutig aufmüpfiges Verhalten und nichts, aber auch gar nichts tun, außer mal zu tätscheln, damit das besser wird. Wird es durch streicheln nicht besser, behaupten sie steif und fest, sie hätten aber alles versucht.

Jeder hat mal Probleme mit seinem Pferd. Manchmal ist es ein Respektproblem, manchmal ein Reitproblem, usw. Manchmal sind es total triviale Sachen, manchmal echt nervenzerfetzende (Hänger anyone?). Ich habe seit Neuestem Schmied. Etwas, was mein Pferd kennt und eigentlich nie gestört hat. Jetzt stört der. Das heißt, ich habe ein Problem mit meinem Pferd. Oder mein Pferd mit meinem Schmied. Ist mir auch egal, das Problem nervt. Also muss ich daran arbeiten.

Ein Problempferd bringt den Schmied um, dann den Besitzer, dann sich selber. Die Reihenfolge ist austauschbar. Und es stoppt auch nicht, nur weil man das „Richtige“ tut. Das ist eben das Problem mit Problempferden. Und wisst ihr was? Die sind wirklich verdammt selten. So unberechenbare Monster gibt es wirklich nicht oft. Sie sind nicht daran Schuld, man hat das aus ihnen gemacht – nur wenn ich in die Facebookgruppen dieser Welt schaue, muss ich annehmen, es gibt nur noch solche Pferde.

Denn alle haben immer schon alles versucht, das arme Tier hat es doch schwer, wurde zu früh von der Mutter getrennt, hat beim Bauern nur rumgestanden, wurde nicht gefüttert, usw. Ein vernachlässigtes Pferd, das viel zu wenig Futter bekommen hat, tadele ich zwar nicht unbedingt sofort fürs Naschen – wenn es mich tritt, tu ich das aber sehr wohl.

Das ist wie mit Leuten, die sämtliches Fehlverhalten ihrer Kinder mit schwerer Kindheit entschuldigen. Oder gar ihr eigenes. Ja, wirklich dauernd hatten alle es ganz schwer. Wurden mal in der Schule geärgert (nicht zu verwechseln mit wirklichem Mobbing), haben mal Ärger für eine sechs bekommen und außerdem gab es nie ein Pony zu Weihnachten. Verdammt, ich hatte es echt schwer. Ist es dann okay, wenn ich hingehe und einfach mal Leuten vors Schienbein trete? Probiere ich morgen mal im Aldi.

Aber Problempferd klingt halt echt auch schöner. Da muss man nicht selbst was dran tun, das ist einfach so, damit muss man dann leben. Und kann ALLES, aber auch wirklich alles damit immer erklären. Pferd springt über die Zäune? Schwere Kindheit. Pferd beißt alle Herdengenossen und schlägt sie halb tot? Wurde mal Rollkur geritten. Pferd geht auf Passanten los? Muss man Verständnis haben, das hätte lieber eine grüne Eskiii-Schibbi-Schabbi gehabt.

An dem Problem mit seinem Pferd arbeiten ist ja auch so mühselig. Jetzt muss ich extra gucken, dass ich bei meinen Schmiedeterminen wieder anwesend bin, ja, muss vielleicht sogar deswegen früh am Wochenende aufstehen, weil der gerne Samstags kommt und dann das Problem gar analysieren. Na, darauf habe ich ja keinen Bock. Der hat doch bestimmt auch eine schwere Kindheit gehabt. Okay, der hat wirklich nen Wackelkontakt im Hirn – ist aber gar keine Entschuldigung meinem Schmied auf den Keks zu gehen, wo es vorher problemlos ging.
Aber ist ja ein Problempferd. Das entschuldigt alles.

Foto: Tag 1 – Die Äpfel liegen unbemerkt neben ihm, während er versucht, am Haselnussstrauch zu knabbern.