Pferde verfallen gerne in Muster. So lernen sie bestimmte Sachen auswendig, oder machen komische Dinge, weil sie spontan ihren Vietnam Flashback bekommen, gegen den der Reiter in dem Moment machtlos ist. Das Auswendiglernen spielt dabei eine große Rolle. Manchmal ist es harmlos (hey, wir haben 10 Schritt-Trab Wechsel gemacht … „das möchtest du jetzt bestimmt auch von mir.“). Manchmal ist es nervtötend: „Oh, warte … das kenne ich und finde es doof: AUSRASTEN!“).

Bei meinem Pferd ist es immer dasselbe: Der Sattelgurt. Der Sattel an sich ist nicht so das Problem, aber eben der Gurt. Manchmal kann den ein Kleinkind schließen, weil er den einen noch mit dem Maul kredenzt (kein Witz, er hält ihn fest und wartet, bis man herumgekommen ist, um ihn einem in die Hand zu spucken). Manchmal ist es Überlebenstraining.
Ich gehe der Sache ja einfach aus dem Weg und sage: „Hoho, gut, dass du blöd bist und dich nicht aufregen und gleichzeitig Schritt gehen kannst.“
Denn ich habe ja Vorderzeug. Da rutscht nichts mehr nach hinten beim satteln.

Mein Pferd stellt also die Ohren auf durchzug: „Döhhhhhh!“ und läuft vor sich hin, während er mal kurz ein Ohr anlegt: „Eigentlich finde ich das doof. Aber ich soll auch vorwärts gehen. Ja, dann gehe ich mal.“
Und ich so: „Jay, ganz toll, kriegst nen Keks.“ Allerdings einen unsichtbaren. Kekse gibt es nicht, solange ich irgendetwas Sinnvolles mit ihm machen will.
Verbale Kekse sind aber auch okay.
So ist das Normalzustand.

JETZT ist aber Fellwechsel. Grund genug, das Pferd bei der Pferdeklappe abzugeben. Oder im Altkleidercontainer. Ist auch egal, er ist doof. Immer im Fellwechsel zum Frühling hin. So richtig unausstehlich widerlich. Da kommen Manieren durch, die er so nie bei irgendwem gelernt haben kann – aber scheinbar eine tolle Idee sind, wenn seine Synapsen Laola tanzen.
Da kommt der doch glatt aus der Ecke angeschossen, wenn ich mit dem Heu in die Box komme? Er ist dann immer etwas über sich selbst erschrocken, wenn ich mit drohendem Ausfallschritt frage: „Geht’s noch?“
Manchmal ist er dann aber auch im: „Super, danke der Nachfrage“-Modus und will kuscheln. Ähm … nein.

Das ist die Ausgangssituation. Er ist nicht gut gelaunt. Oder zu gut. Weiß man nicht. Dann ist der nächste Punkt: Mein Lammfellsattel. Klar KANN ich da ein Vorderzeug draufmachen. Zieht dann aber den Schwerpunkt vom Mondgurt nach vorne. Und dann ist ja der Effekt weg. Ergo brauche ich eins ohne Gurt zwischen den Beinen. Was ich nicht habe. Eigentlich auch nicht einsehe zu kaufen, denn … Himmel, das ist ein Lammfellsattel mit Lammfellgurt. Noch flauschiger geht es nicht! Nichts und niemand kann ihn damit kneifen.

Dafür habe ich ihm eine Leckschale geholt. „Lüller du da unten rum, ich mach hier nur schnell fertig“. Das ging auch ein paar Wochen gut. Bis letzten Donnerstag, als er dachte: „Ohgott, ich sterbe!“. Rannte vor, über die Leckschale, dann stellte er fest: „Ne, Moment, ich laufe immer rückwärts, wenn der Gurt mir nicht gefällt.“ Dann rannte er wieder zurück. Was stand da noch? Die Leckschale. BOING! Kurzes Gestolper, Anpfiff von Frauchen und Sattel natürlich sonstwo.
Seufzen, wieder vor, Pferd an die Leckschale („Omnomnom, das schmeckt aber gut“ … sagte ich schon mal, dass er nicht mehr Hirnzellen als ein Goldfisch haben kann?) und noch ein Versuch.

Dieses Mal ohne über die Leckschale zu stolpern, dafür aber mit Trompeten wieder rückwärts. Denn „Vorwärts Männer, wir müssen zurück“ – das ist sein Lebensmotto.
Leider bin ich auch noch da. Und ich will, dass er vorwärts geht. Also hüpfe ich wie ein HB-Männchen um ihn rum und tobe und kreische, damit er nicht weiter rückwärts rennt (denn rückwärts rennen resultiert in Steigen und Überschlagen).
Kurz drauf bin ich aber trotzdem am Gurt und der ist jetzt fest. Ist der Gurt fest, hat das Pferd das Theater grundsätzlich vergessen, guckt und will seinen Keks. Den er immer noch nicht kriegt. Primär … weil er ihn nie kriegt. Aber einen verbalen Keks eben.
Ich darf plötzlich sogar die Aufstieghilfe benutzen (mag er nicht) und vollkommen entspannt meine Runde im Gelände drehen.

Am nächsten Tag hatten wir das Theater übrigens völlig vergessen. „Oh, hi Frauchen, was machen wir Schönes? Oah, cool, Springen, das mag ich am Liebsten! Huiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii!“

Ps. Nein, er kriegt nicht noch ein Vorderzeug.

Foto: Der Tag danach. Kann kein Wässerchen trüben.